icon / home icon / small arrow right / light News icon / small arrow right / light Frauenrechte – die große Unbekannte?
08 Mrz 2010 von Ludwig Boltzmann

Frauenrechte – die große Unbekannte?

Anlässlich des Internationalen Frauentages 2010 diskutierten Expertinnen im Rahmen der Public Lecture Series die Bedeutung der UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) und die Folgen fehlender Berücksichtigung.

Im Jahr 2009 wurde die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen der Vereinten Nationen (CEDAW) 30 Jahre alt. Anlässlich dieses aktuellen Jubiläums von CEDAW sowie des Internationalen Frauentags organisierte die Forschungsplattform „Human Rights in the European Context“ in Kooperation mit dem Österreichischen NGO-CEDAW-Komitee am 24.2.2010 eine Public Lecture zum Thema „Frauenrechte – die große Unbekannte? Die Bedeutung der UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) und die Folgen fehlender Berücksichtigung“. Am Podium diskutiert haben Angelika Kartusch, Verein Österreichischer Juristinnen, Claudia Thallmayer, WIDE – Netzwerk Women in Development Europe, Maria Rösslhumer, Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser, WAVE – Women Against Violence Europe, moderiert von Julia Planitzer (Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte).

Für Österreich hat die damals für Frauenangelegenheiten zuständige Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Johanna Dohnal die Konvention anlässlich der 2. UN-Weltfrauenkonferenz im Jahr 1980 in Kopenhagen unterzeichnet. 1982 wurde die Konvention ratifiziert und ist seither in Österreich in Geltung.

Obwohl viele Jahre seither vergangen sind, hält der OGH noch im Jahr 2007 fest, dass Gutachten und Empfehlungen des CEDAW-Komitees für „die Entscheidung nicht beachtlich“ seien.

Um eine umfassendere und systematische Umsetzung von CEDAW in Österreich zu unterstützen, wurde das österreichische NGO-CEDAW-Komitee gegründet. Entstanden ist diese Plattform durch die gemeinsame Arbeit am NGO-Schattenbericht zum 6. Periodischen Bericht Österreichs an das UN-CEDAW-Komitee  im Jahr 2006.

Das Österreichische NGO-CEDAW-Komitee besteht aus einer breitgefächerten Gruppe von Expertinnen für Frauen- und Gleichstellungspolitik, die sich für eine systematische Umsetzung der CEDAW-Konvention einsetzen.

Eine konsequente Gleichstellungspolitik quer durch alle Politikfelder bedeutet für das österreichische NGO-CEDAW-Komitee, dass
• alle Politikbereiche systematisch im Hinblick auf die Auswirkungen derzeit geltender Regelungen und geplanter Gesetzesvorhaben auf Frauen und Männer analysiert werden,
• und dabei Zusammenhänge zwischen einzelnen Politikfeldern und Mehrfachdiskriminierungen berücksichtigt werden.
• Daran anknüpfend können Maßnahmen entwickelt werden, die eine tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern herbeiführen.

Dem Österreichischen NGO-CEDAW-Komitee gehören neben unabhängigen Expertinnen u.a. folgende Einrichtungen an: AÖF – Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser, WIDE-Netzwerk, Frauenberatungsstelle Kassandra, Verein EfEU, Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Wien, LEFÖ – Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen.

Das Ziel der systematischen Umsetzung von CEDAW soll durch eine Gesamtstrategie oder einen Nationalen Aktionsplan für tatsächliche Gleichstellung zwischen Frauen und Männern erreicht werden.

In der Veranstaltung diskutierten am Podium Angelika Kartusch, Claudia Thallmayer und Maria Rösslhumer, welche Folgen in unterschiedlichen Bereichen die fehlende Berücksichtigung von CEDAW haben kann.

Angelika Kartusch bot in ihrer Präsentation einen Überblick über die Entstehung von CEDAW. Diese enthält eine umfassende Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen, die sich auf alle Lebensbereiche bezieht. CEDAW verpflichtet die Vertragsstaaten, nicht nur eine rechtliche sondern auch eine faktische Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen. Das Wort Gewalt kommt in CEDAW allerdings nicht vor – erst die Allgemeine Empfehlung Nr. 19 des UN-CEDAW-Komitees aus 1992 enthält die Feststellung, dass Gewalt gegen Frauen eine Form der Diskriminierung ist und daher von CEDAW umfasst ist. Die Einhaltung der Konvention wird durch das aus 23 unabhängigen ExpertInnen bestehende Komitee zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau (UN-CEDAW-Komitee) überwacht. Österreich wurde 2007 das letzte Mal überprüft. Das Komitee lobte dabei Österreich für eine Reihe neuer Gesetze zur verstärkten Gleichbehandlung von Frauen und Männern, zeigt sich aber besorgt über das Fehlen regelmäßiger Überwachung und Evaluierung des Fortschritts bei der Umsetzung und der Wirkung von Gesetzen, Strategien und Plänen zur Förderung der Gleichstellung.

Claudia Thallmayer hat auf die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Situation von Frauen aufmerksam gemacht. Im Unterschied zu bisherigen Finanzkrisen stehen diesmal Industrieländer im Mittelpunkt. Dadurch ist die Reaktion auf die Krise anders als bei früheren Krisen in Ländern des Südens und Ostens. Während Industrieländer ausreichend Mittel haben, um beispielsweise Banken zu retten, mussten sich viele Entwicklungs- und andere Schwellenländer an den Internationalen Währungsfonds wenden. Geschlechtsspezifische Auswirkungen der Krise variieren von Land zu Land. In der Krise werden Frauen aus der ohnehin schon schlecht bezahlten Lohnarbeit hinausgedrängt und müssen auf prekäre oder auf informelle Arbeit ausweichen. Zudem wird die Krise als Vorwand benutzt, um die Arbeitsbedingungen weiter zu verschlechtern oder die Entlohnung weiter zu verringern. Die Reaktion der Migrationspolitik auf die Krise sind restriktivere Einwanderungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten und führt dazu, dass Frauen in informellen Sektoren wie Sexarbeit oder Hausarbeit abgedrängt werden.

Maria Rösslhumer zeigte in ihrem Vortrag anschaulich, dass die Verpflichtungen aus CEDAW und damit zusammenhängend Gewalt gegen Frauen in der Justiz noch nicht zu ausreichend Bewusstsein geführt haben. Als Beispiel angeführt wurde ein Urteil des OGH, bei dem festgehalten wurde, dass das Betasten des Gesäß keine geschlechtliche Handlung sei, da das Gesäß nicht zur unmittelbaren Geschlechtssphäre eines Menschen zähle. Weiteres Beispiel ist das erst kürzlich in den Medien viel diskutierte Urteil, bei dem ein Mann nicht wegen versuchten Mordes an seiner Frau verurteilt wurde, sondern bloß wegen versuchten Totschlags. Argumentiert wurde, dass nach der türkischen Herkunftskultur des Mannes eine „allgemein begreifliche Gemütsbewegung“ vorgelegen sei. Neben diesen Beispielen verwies Maria Rösslhumer auch auf die beiden im Rahmen des Fakultativprotokolls zu CEDAW eingebrachten Beschwerden gegen Österreich, die im Namen der Hinterbliebenen der beiden Opfer Sahide Goekce und Fatma Yildirim von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie und dem Verein Frauen-Rechtsschutz eingebracht wurden.

In den Vorträgen sowie in der anschließenden Diskussion wurde unter anderem das Thema der prekären Arbeitsverhältnisse, die vorwiegend Frauen betreffen, zur Sprache gebracht. Frauen arbeiten zu einem überwiegenden Teil im Dienstleistungsbereich (niedriges Lohnniveau) und sind teilzeitbeschäftigt (42%). Die Krise verschärft diese Tendenz noch weiter und die Konjunkturpakte kommen überwiegend jenen Branchen zugute (Auto, Banken), die männerdominiert sind. Wie lässt sich die hohe Teilzeitquote von Frauen erklären? – Insgesamt sind 84% der Teilzeitbeschäftigen Frauen.

Zum einen arbeiten sie in Bereichen mit einem hohen Anteil an Teilzeitkräften (Gesundheit- und Soziales, Handel, Beherbergung und Gaststätten) und zum anderen tragen sie die Hauptlast der unbezahlten Arbeit, indem sie nach wie vor das Gros der familiären Versorgungsleistungen, der Kinderbetreuung und der Pflegearbeiten übernehmen.
Für ein gerechtes gesellschaftliches Modell zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie braucht es aber flexible Arbeitszeiten, d.h. Teilzeitarbeit, Teleworking, neue Wochen- und Jahresarbeitzeiten. Der Fokus kann insofern nicht nur darauf gelegt werden, wie mehr Vollzeitarbeitsplätze für Frauen geschaffen werden, sondern wie neue Arbeitszeitmodelle den Bedürfnissen von Frauen und Männern nach partnerschaftlicher Aufteilung von Familien- und Versorgungsarbeit gerecht werden können. Dies impliziert auch die Forderung nach mehr qualitativer Teilzeit-Arbeit mit Führungsanspruch. Zurzeit hat nur jede zehnte Teilzeitkraft eine Führungsposition.

Neben der Teilzeitarbeit zeigen auch die Indikatoren, „Führungsebene“ und „Gehaltschere“ die sichtbare Ungleichstellung der Frauen am Arbeitsmarkt an. Laut einer Studie des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen sind lediglich 11,3 % Frauen auf höchster Führungsebene in österreichischen Unternehmen vertreten. Und bei der Gehaltsdifferenz zwischen Frauen und Männern belegt Österreich im Rahmen einer Kampagne der EU-Kommission „Close the gender pay gap“ im Länderranking nur Platz 26. Frauen verdienen im diesem EU-Vergleich um 25,5 % weniger als Männer.

Um mehr Geschlechtergerechtigkeit am Arbeitsplatz zu erreichen, reichen einzelne punktuelle Maßnahmen nicht aus. Zuerst bedarf es einer Neuorientierung in den Köpfen. Lebensmodelle müssen entwickelt werden, wo Frauen und Männer sich gleichermaßen in den Bereichen „Beruf“ und „Familie“ verwirklichen können. Gefordert sind alle gesellschaftspolitischen Teilsysteme, wie Politik, Wirtschaft, Bildung, um die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Weitere Informationen und Links:
http://www.wave-network.org/
http://www.aoef.at/cms/
http://www.juristinnen.at/

United Nations Inter-Agency Network on Women and Gender Equality (IANWGE), 30 years UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women. Success Stories: http://www.unifem.org/cedaw30/success_stories/

Literaturhinweise:
Beitrag von Claudia Thallmayer (zum Download im Downloadbereich)

Beitrag von Angelika Kartusch (zum Download im Downloadbereich)

Sabine Mandl: Erwerbsarbeit und Frauen, „Sag mir, wo die Frauen sind!“ (zum Download im Downloadbereich)

Leitfaden zum Fakultativprotokoll der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau. Frauenabteilung der Stadt Wien (MA 57). Bearbeitung: Anna Sporrer, Wien 2000

Schöpp-Schilling, Hanna Beate und Cees Flintermann (Hrsg.): The Circle of Empowerment. Twenty-five Years of the CEDAW-Committee, New York 2007

a. International Women’s Day – Logo
b. Podium Public Lecture (Claudia Thallmayer, Julia Planitzer, Angelika Kartusch, Maria Rösslhumer)