„Einschränkungen sind religiösen Menschen zumutbar“ – rechtliche Einordnung des Kopftuchverbots von Michael Lysander Fremuth
Ein neuer Gesetzesentwurf sieht vor, dass Mädchen bis 14 Jahren an allen Schulen kein Kopftuch mehr tragen dürfen. Ziel sei laut Ministerin Claudia Plakolm der Kinderschutz. Gegenwärtig wird die Verabschiedung mit 2/3-Mehrheit diskutiert, um die Regelung gegenüber dem VfGH „abzusichern“.
Im Interview mit News ordnet Michael Lysander Fremuth, wissenschaftlicher Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Grund- und Menschenrechte (LBI-GMR), die Rechtslage ein. Er betont, dass Kinder auch unter 14 Jahren Religionsfreiheit genießen – damit berühre das Kopftuchverbot sowohl die Rechte und Erziehungsverantwortung der Eltern als auch insbesondere die Religionsfreiheit von Kindern selbst. Zentral sei zudem der Gleichheitssatz: Mädchen und Burschen, verschiedene Religionen und Weltanschauungen müssten grundsätzlich gleichbehandelt werden. Gleichzeitig habe der Staat den Auftrag, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch Werte wie Toleranz und Gleichberechtigung zu fördern, wie etwa die UN-Kinderrechtskonvention vorgibt.
Fremuth macht deutlich: „Religionsfreiheit und das religiöse Erziehungsrecht sind keine absoluten Grundrechte“ Eingriffe sind möglich, wenn sie verhältnismäßig sind und dem Schutz junger Mädchen dienen. Auch der Gleichheitssatz schließe selektive Maßnahmen nicht gänzlich aus, etabliere aber hohe Hürden. Ob das geplante Kopftuchverbot vor dem VfGH Bestand haben wird, dürfte maßgeblich davon abhängen, ob der Gerichthof die Deutung des Kopftuches als ein vorrangig ehrkulturelles Symbol akzeptiert und dem Gesetzgeber darin folgt, dass sich die Autonomiegefährdung für Mädchen in der Praxis so eindeutig und spezifisch verdichtet hat, dass ein Handeln des Gesetzgebers gerechtfertigt erscheint.
Größere Chancen hätte eine Regelung, welche die Schulen allgemein als neutralen Ort ausgestalten würde, d. h. generell die sichtbare Zurschaustellung religiöser Symbole ausschlösse und sich nicht gegen ein spezifisches Symbol richtete.