Rechte der Natur: Zur Subjektivierung der Natur und ihrer Emanationen unter völkerrechtlichen, insbesondere menschenrechtlichen Gesichtspunkten

Über das Projekt

Das Forschungsprojekt analysiert die völkerrechtlichen, insbesondere menschenrechtlichen Implikationen einer „Subjektivierung“ der Natur und untersucht die Chancen und Risiken dieses möglichen Perspektivenwechsels.

Forschungsgegenstand & -fahrplan

„Should Trees Have Standing?“ Über einen möglichen Rechtsanspruch auf Schutz von Bäumen räsonierte bereits vor mehr als 50 Jahren der Rechtswissenschaftler Christopher D. Stone. Heute ist der Gedanke an originäre „Rechte der Natur“ angesichts spürbarer Auswirkungen des Klimawandels und der menschengemachten Umweltzerstörung präsenter denn je: Denn die Natur leidet unter der Nutzung durch den Menschen – unter Massentierhaltung und Walfang, der Abholzung von Regenwäldern zwecks Etablierung landwirtschaftlicher Nutzflächen und der Entsorgung giftiger Industrieabfälle in der Natur etc. Die Natur wird überwiegend als reines Objekt wahrgenommen, Umwelt- und Naturschutz vielfach allein zugunsten des Menschen unternommen.

Ein derart anthropozentrisch motivierter Schutz der Natur greift jedoch womöglich zu kurz für einen effektiven und effizienten Schutz der Natur um ihrer selbst willen und verstärkt die Wahrnehmung der Natur als reines Objekt. Vor diesem Hintergrund haben in den letzten Jahren diverse nationale Legislativen und Judikativen „die Natur“ – die in ihrer Vielgestaltigkeit für viele Völker, Glaubensgemeinschaften und Kulturen der Inbegriff allen Seins und in dieser Eigenschaft Grundlage allen, also nicht nur menschlichen Lebens, ist – und/oder einzelne natürliche Objekte wie Flüsse oder Berge zu Rechtssubjekten ernannt und ihnen eigene Rechte zuerkannt. Beispiele sind etwa der Fall des neuseeländischen Whanganui River im Jahr 2017 und die Zuerkennung subjektiver Rechte an „die Natur“ bzw. „Pachamama“ durch die ecuadorianische Verfassung im Jahr 2008. Auch die Parlamentarische Versammlung des Europarats erhob im September 2021 – ausgehend von den Wechselbeziehungen zwischen menschlichen Gesellschaften und der Natur – die Forderung nach Schutz des intrinsischen Werts der Natur und wies darauf hin, dass Umweltschutz auf Basis eines anthropozentrischen und utilitaristischen Ansatzes den Schutz natürlicher Elemente per se verhindere.

In (völker-)rechtlicher Hinsicht könnte das Bild von der Natur als Rechtssubjekt jedoch mit dem anthropozentrischen Weltbild westlicher Zivilisationen, das, ebenso wie das heutige menschenrechtliche Schutzsystem, auf den Menschen fokussiert, in Konflikt geraten. Da westliche Vorstellungen für das Völkerrecht aufgrund seiner europäischen Provenienz prägend geworden sind, erscheinen die unterschiedlichen Zugänge auf internationaler Ebene besonders interessant und werfen die Frage nach der Adaptionsfähigkeit der internationalen Rechtsordnung auf. Denn der Natur werden nach westlichem Verständnis in der ihr vom Menschen zuerkannten Eigenschaft als Objekt überwiegend keine subjektiven Rechte zuerkannt. Das bedeutet nicht zuletzt, dass die Natur in ihrem Schutz allein vom Menschen abhängig ist. Die dadurch entstandene Schutzlücke könnte aber möglicherweise durch die Veränderung der Wahrnehmung der Natur – weg vom Objekt, hin zum Subjekt – geschlossen werden. Wäre die Natur Inhaberin eigener subjektiver Rechte, könnten diese zum Beispiel vor Gericht direkt „im Namen der Natur“ geltend gemacht werden, um etwa Umweltverschmutzungen oder -zerstörungen effektiver abzustellen und zu verhindern.

Das auf drei Jahre angelegte und durch die Ludwig Boltzmann Gesellschaft geförderte Forschungsprojekt beleuchtet völkerrechtliche bzw. insbesondere menschenrechtliche Fragestellungen im Kontext der möglichen Völkerrechtssubjektivität „der Natur“.

Schwerpunkte

Der angedeutete Perspektivwechsel in der Wahrnehmung „der Natur“ wirft diverse völkerrechtliche, nicht zuletzt menschenrechtliche Fragen auf, z.B.:

  • Verändert die „Subjektivierung“ der Natur die Dichotomie von Rechtssubjekt und Rechtsobjekt?
  • Welche Chancen und Risiken hält die „Subjektivierung“ der Natur für das derzeitige Völkerrechtssystem bereit?
  • Welchen Mehrwert generieren originäre „Rechte der Natur“ gegenüber derzeitigen Mechanismen des Naturschutzes?
  • Welche wechselbezüglichen Abhängigkeiten bestehen zwischen Menschenrechten und potenziellen „Rechten der Natur“?
  • Welche Möglichkeiten der Wahrnehmung und Durchsetzung von „Rechten der Natur“ gibt es/sind denkbar?

Methodik

Die Forschungsarbeit umfasst literaturbasierte Recherche sowie die Analyse von Gesetzestexten und Gerichtsentscheidungen sowie einschlägigen Studien. Auf dieser Basis werden in der Folge u.a. völkerrechtliche bzw. insbesondere menschenrechtliche Fragestellungen in Zusammenhang mit der Verleihung subjektiver Rechte an die Natur beleuchtet. Ziel des Projekts ist es, die völkerrechtsrelevanten Entwicklungen rund um die „Rechte der Natur“ in den in diesem Zusammenhang hochrelevanten Menschenrechtsdiskurs zu integrieren. Gleichzeitig soll die Programmlinie NEWS im Forschungsfeld Nachhaltigkeit etabliert werden.

Projektdaten

Kontakt

Camilla Sophia Haake

PostDoc

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