Forschungsprojekt RiVi: Rechte von Opfern physischer Gewalt: Verbesserter Zugang zu forensischen Untersuchungen

Über das Projekt

Überlebende physischer und/oder sexueller Gewalt sind meist traumatisiert und verletzbar, deshalb bedürfen sie dringend rascher Hilfe. In manchen Fällen sind sie allerdings nicht in der Lage oder bereit, sich als Gewaltopfer zu deklarieren, oder können dies erst zu einem späteren Zeitpunkt tun. In der Zwischenzeit sind körperliche Verletzungen, sofern sie nicht professionell klinisch-forensisch dokumentiert wurden, jedoch oft schon wieder verheilt. Aus rechtlicher Sicht bedeutet dies, dass wichtige Beweismittel für eventuelle zukünftige Gerichtsverfahren verloren gehen. Ein ausschlaggebender Faktor, um die Position von Opfern in strafrechtlichen oder zivilen Verfahren zu stärken, ist daher das Wissen der Ärzt*innen um die Rechte der Opfer. Sie sind oft die erste Anlaufstelle für Opfer von Gewalthandlungen. Häufig fehlt ihnen jedoch die notwendige Expertise über professionelle klinisch-forensische Beweisaufnahmen, da ihr Fokus in erster Linie auf die Behandlung und Heilung der Patient*innen liegt. Die Sensibilisierung des medizinischen Personals hinsichtlich der klinisch-forensischen Dokumentation von Gewalt ist daher dringend geboten. Das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzt*innen und Patient*innen kann auch dazu dienen, diese über ihre grundlegenden Rechte zu informieren und ihnen zu helfen, weitere Schritte zu setzen, z.B. sich an Opferschutzeinrichtungen zu wenden.

Das Rivi-Projekt beschäftigt sich mit dem Recht von Gewaltopfern auf den Zugang zu klinisch-forensischen Untersuchungen, unabhängig davon, ob sie eine strafrechtliche Klage einreichen oder nicht. Die spezifischen Projektziele sind:

  1. Verbesserung des Wissens des medizinischen Personals über spezifische Bestimmungen des EU Acquis betreffend Opferschutzbestimmungen. Zu diesem Zweck wird es einen Überblick über den Begriff „Verbrechensopfer“ im europäischen Rechtskontext geben. Des Weiteren werden jene Rechte analysiert, die mit der Durchführung von klinisch-forensischen Untersuchungen im unmittelbaren Zusammenhang stehen.
  2. Bereitstellung von Handreichungen für medizinisches Personal, welches sie bei der Durchführung von klinisch-forensischen Untersuchungen unterstützt.
  3. Sensibilisierung und Trainings medizinischen Fachpersonals hinsichtlich klinisch-forensischer Beweisaufnahmen bei Gewalthandlungen.
  4. Steigerung der Zahl an Ärzt*innnen und Institutionen, die dazu befähigt sind, klinisch-forensische Untersuchungen von Gewaltopfern im Sinne der Anforderungen der Richtlinie 2012/29/EU (Opferschutzrichtlinie) durchzuführen.
  5. Verbesserung der Kooperation aller Stakeholder im Bereich des Opferschutzes durch Etablierung eines interdisziplinären Netzwerks aller im diesem Kontext tätigen Professionalist*innen, insbesondere medizinisches Personal, Polizei, Staatsanwaltschaft, Justiz sowie Kinder- und Gewaltschutzeinrichtungen. Abhaltung regelmäßiger Jour fixe-Treffen.

Das Rivi-Projekt ist ein Folgeprojekt des JUSTeU! Projekts, welches ebenfalls von der Europäischen Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, gefördert wurde. JUSTeU! fokussierte auf die praktische Bedeutung und den rechtlichen Hintergrund klinisch-forensischer Untersuchungen.

Neuigkeiten aus dem Projekt: Das Universitäts Klinikum Heidelberg entwickelte ein Online-Training zu klinisch-forensischen Untersuchungen insbesondere für Ärzt*innen, Pfleger*innen, aber auch für Berufsgruppen, die von Gewalt Betroffene betreuen und unterstützen, wie Mitarbeiter*innen von Gewaltschutzzentren, Opferschutzeinrichtungen, Polizei, Richter*innen, etc. Das Video beinhaltet eine genaue Anleitung und Informationen, wie eine klinische forensische Untersuchung an von Gewalt Betroffenen bestmöglichst durchgeführt werden soll, damit sie ihre Rechte auch vor Gericht geltend machen können.

Ein bewusstseinsbildender Kurzfilm zu klinisch-forensischen Untersuchungen sensibilisiert für die wichtige Rolle des medizinischen Personals im Opferschutz und bei der Dokumentation und Aufbewahrung von Beweismitteln.

Am 24. September 2020 fand das erste Jour Fixe Meeting im Rahmen des Projekts in der Klinik Floridsdorf in Wien statt.

Ein internationales Event zur Bewusstseinsbildung wurde am 26. November 2020 abgehalten, um relevante Akteure weiter für das Thema zu sensibilisieren.

Ein Projekt-Flyer wurde produziert, um einen schnellen Überblick über Projektinhalte und -outputs zu erhalten. Das Dokument ist in der Download-Sektion dieses Artikels verfügbar.

Das Projektabschlusstreffen im Konsortium, RiMe #2, fand am 22. Jänner 2021 online statt.

a. RiVi-Projektteam (v. l. n. r.): Michal Malacka, Bernadett Foldvary, Michael Klintschar, Linder Barbara, Andrea Verzeletti, Petr Hejna, Agnes Taibl
b. This project is co- funded by the Justice Programme of the European Union (2014-2020)

Projektdaten

Land: Österreich, Tschechische Republik, Deutschland, Italien
Beteiligte Personen: Agnes Taibl, Sabine Mandl
Kontakt: Agnes Taibl
Trägerorganisation: Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte (LBI-GMR)
Partnerorganisationen: Universität Olomouc (CZ), Medizinische Fakultät Hradec Králové (CZ), Klinikum Universität Heidelberg (DE), Medizinische Hochschule Hannover (DE), Universität Brescia (IT)
Projektstart: 02/2019
Projektende: 01/2021
Projekt abgeschlossen: Ja
Gefördert von: Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher
Programmlinie LBI-GMR: Rechtsstaatlichkeit und Reform des öffentlichen Sektors