Auf dem Weg zu harmonisierten Haftstandards in der EU – die Rolle der Nationalen Präventionsmechanismen (NPM)
Über das Projekt
Die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen in der EU beruht auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und der Angleichung der Rechtsvorschriften, im Sinne einer Festlegung gemeinsamer Mindeststandards. Gegenseitige Anerkennung beruht auf gegenseitigem Vertrauen, das – wie der EuGH betont – kein „blindes Vertrauen“ bedeutet und nicht zu einem Verstoß gegen das Folter- und Misshandlungsverbot führen darf. So ermöglicht die Einhaltung gemeinsamer Mindeststandards für die angemessene Behandlung von Insassen*innen in der gesamten EU das gegenseitige Vertrauen, weil sie das Risiko minimieren, dass eine Übergabe/Überstellung eines Häftlings an einen anderen Mitgliedstaat gegen dieses absolute Verbot verstößt.
Die NPMs sind in der idealen Position, um in dieser Hinsicht Unterstützung zu leisten, indem sie das Bewusstsein der Behörden für Standards stärken sowie deren praktische Anwendung kontrollieren und fördern. Der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den 24 NPMs in der EU haben sich als sehr nützlich erwiesen, um ihre Arbeit zu stärken. Das aktuelle Projekt baut auf früheren Aktivitäten auf, die vom BIM und Partnerorganisationen in der EU durchgeführt wurden.
Das übergeordnete Ziel des Projekts ist es, zu einer effektiven, kohärenten und menschenrechtskonformen Anwendung der EU-Instrumente zur gegenseitigen Anerkennung in Strafsachen beizutragen. Es sieht insbesondere Folgendes vor
- Klärung und Konsolidierung bestehender Standards
- Stärkung der professionellen Kapazitäten der NPMs, um effektiv eine Veränderung zu erzielen
Als Reaktion auf die Bedürfnisse, die in früheren Konsultationen mit EU-NPMs, SPT-Mitgliedern und Organisationen der Zivilgesellschaft geäußert wurden, konzentrierte sich das Projekt auf die nicht-materiellen Bedingungen in der Haft, nämlich
- Einzelhaft
- Gewalt in der Haft
- Beschwerden und das Recht auf Information
- Die Behandlung bestimmter Gruppen in einer schutzbedürftigen Situation
Im Rahmen des Projekts fanden mehrere Konsultationen und internationale Veranstaltungen mit den Nationalen Präventionsmechanismen der EU statt:
- Workshop „Behandlung bestimmter Gruppen von Insass*innen in einer schutzbedürftigen Situation“ (Sofia, 18. – 19. November 2019);
- Workshop „Isolation und Einzelhaft in der Justizanstalt“ (Rom, 27 – 28. Januar 2020);
- Workshop „Ansuchen, Beschwerdeverfahren und das Recht auf Information in Justizanstalten“ (online, 27. – 30. April 2020, wegen der Covid-19-Pandemie);
- Workshop „Präventive Menschenrechtskontrolle von Gewalt in Haft“ (online, 20., 27. Mai und 3. Juni 2020, aufgrund der Covid-19-Pandemie)
- Abschlusskonferenz (online, 3. und 4. November 2020, aufgrund der Covid-19-Pandemie)
Die Veranstaltungen ermöglichten einen fruchtbaren Austausch von Erfahrungen und vielversprechenden Praktiken. Auf der Grundlage dieser umfassenden Konsultationen mit EU-NPMs und anderen Stakeholdern mündete das zweijährige Projekt in die Veröffentlichung einer Handbuchreihe für Nationale Präventionsmechanismen, die vier thematische Bereiche abdeckt:
- Menschenrechtskontrolle von Gewalt in Haft – vom Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte
- Menschenrechtskontrolle von Einzelhaft in Justizanstalten – von der Associazione Antigone
- Insass*innen in einer schutzbedürftigen Situation – vom Bulgarischen Helsinki Committee
- Beschwerdeverfahren und das Recht auf Information in Justizanstalten – vom Ungarischen Helsinki-Komitee.
Die Reihe wird außerdem durch ein Dossier des Ludwig Boltzmann Instituts für Grund- und Menschenrechte zu systemischem Denken in der präventiven Menschenrechtskontrolle ergänzt.
Um ein breiteres Publikum innerhalb der Strafjustiz, einschließlich Anstaltsmitarbeiter*innen und politische Entscheidungsträger*innen, zu erreichen, wurden die Schlüsselargumente und -fakten aus den Handbüchern auch in Form von prägnanten Briefingpapieren und kurzen informativen Videos zu den vier thematischen Forschungsbereichen aufgearbeitet.
Projektdaten
Beteiligte Personen: Giuliana Monina (Dez 2019 – März 2021), Philipp Hamedl (Jan 2019 – Dez 2020), Moritz Birk (Jan 2019 – Dez 2019)
Projektbeirat: Wolfgang Gratz, Alison Liebling, Nora Sveaass, Dirk Van Zyl Smit, Verein zur Verhütung von Folter
Kontakt: Giuliana Monina
Trägerorganisation: Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte
Partnerorganisationen: Helsinki Kommittee Ungarn, Helsinki Kommittee Bulgarien, Verein Antigone, Italien
Projektstart: 01/2019
Projektende: 03/2021
Gefördert von: Europäische Union, Generaldirektion Justiz und Verbraucher; Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz
Programmlinie LBI-GMR: Menschenwürde und öffentliche Sicherheit