Europatag 9. Mai 2015 – Gemeinsam Europa schaffen – Menschenrechte fördern
Jedes Jahr feiert die Europäische Union am 9. Mai den Europatag und erinnert an die vom französischen Außenminister Robert Schuman an diesem Tag im Jahr 1950 abgegebene „Schuman-Erklärung“, die zu einem der Grundsteine der Europäischen Gemeinschaft wurde. Auch 65 Jahre danach kann daraus in Hinblick auf den schrittweisen Prozess der europäischen Integration zitiert werden:
„Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.“ (Europäische Union: Schuman-Erklärung)
Konkrete Tatsachen und gemeinsames Tun bilden sich auch in der EU-Erweiterungspolitik ab, die auf die Annäherung neuer Mitgliedstaaten und Kandidatenländer an die europäischen Normen und Standards abzielt. Mit Finanzierung der Europäischen Kommission unterstützen die EU-Mitgliedstaaten die Erweiterungsländer in einer Vielzahl von Projekten bei diesen Reformschritten. Österreich, dessen EU-Beitritt sich heuer zum 20. Mal jährt, setzt dabei – vertreten durch staatliche wie nicht-staatliche Institutionen – einen Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit mit den Ländern des Westbalkans und plant diese noch zu intensivieren. Dazu wird auch der im August 2015 in Wien stattfindende Westbalkan-Gipfel beitragen, der den im Vorjahr lancierten „Berlin-Prozess“ zur Förderung der EU-Annäherung der Balkanstaaten fortsetzt.
In den letzten zwei Jahrzehnten rückte die Erweiterungspolitik der Europäischen Union die Themen Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte zunehmend in den Vordergrund des Beitrittsprozesses. Reformen in Gesetzgebung und Praxis, z.B. hinsichtlich der Gewährleistung von fairen Gerichtsverfahren, von Presse- und Meinungsfreiheit oder der Rechte von Minderheiten, sind für die derzeitigen Erweiterungsländer von zentraler Bedeutung, nicht nur für die Aufnahme, den Fortgang und den Abschluss von Beitrittsverhandlungen, sondern auch in Hinblick auf gewährte EU-Finanzhilfe. Ein wichtiges Instrument sind dabei Twinning-Projekte, die in Partnerschaften zwischen Institutionen in einem EU-Staat und einem Erweiterungsland bestehen und konkrete Resultate in der Umsetzung von EU-Recht oder der Stärkung rechtstaatlicher Strukturen erzielen wollen.
Mit Generalmandatierung der Europäischen Kommission engagiert sich das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) seit 2002 im Namen Österreichs im Twinning-Bereich und hat bis dato an 26 einschlägigen Projekten in 15 Staaten mitgewirkt. Im Sinne einer engagierten, praxisorientierten Wissenschaft widmet sich das Institut dabei unter Einsatz wissenschaftlichen Know-hows der Politikberatung zum EU-Recht und zu EU good practices in den Bereichen Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und gute Regierungsführung. Dabei ist für das BIM als Menschenrechtsinstitut ein partnerschaftlicher Ansatz, der auf Dialog und der Idee von gegenseitigem Lernen beruht, in der Projektzusammenarbeit unverzichtbar.
Der diesjährige Europatag gibt dem BIM die Gelegenheit, auch den bevorstehenden Beginn von zwei neuen Twinning-Projekten zu feiern: Mitte Mai wird gemeinsam mit der Volksanwaltschaft und der mazedonischen Ombudseinrichtung ein Projekt lanciert, das sich schwerpunktmäßig den Themen Folterprävention und Antidiskriminierung sowie der allgemeinen Stärkung der Ombudseinrichtung widmet. Das Thema Antidiskriminierung wird zusammen mit allgemeinen Fragen zu Menschen- und Minderheitenrechten auch Gegenstand eines Projekts in Serbien sein, das ab Juni in Partnerschaft mit dem Büro für Menschen- und Minderheitenrechte und dem Büro der Gleichstellungsbeauftragten in Serbien sowie dem slowenischen Büro für Minderheitenrechte durchgeführt wird. Das BIM freut sich über diese Kooperationen und die Gelegenheit, seine Expertise in diese beiden Projekte einzubringen, Reformen zu unterstützen und auf diese Weise zur Stärkung menschenrechtlicher Strukturen in Mazedonien und Serbien beitragen zu können.
Das Thema Menschenrechte und die Forderung nach deren Einhaltung betreffen aber natürlich nicht nur jene Staaten, die sich um Mitgliedschaft in der Europäischen Union bemühen, oder andere Länder, mit denen die EU Beziehungen im Rahmen ihrer Außenpolitik unterhält. Eine stringente und glaubwürdige EU-Menschenrechtspolitik muss auch die interne Dimension miteinbeziehen, will sie nicht weiterhin dem Vorwurf ausgesetzt sein, zweierlei Maß – an die Mitgliedstaaten einerseits und Drittstaaten andererseits – anzulegen (siehe auch bisherige Ergebnisse des Forschungsprojekts FRAME). Mangelnde Kohärenz in der EU-Menschenrechtspolitik zeigt sich bis dato an so manchen Stellen, am gravierendsten im Umgang mit Asylsuchenden und Flüchtlingen innerhalb der Union und an ihren Außengrenzen. Gerade der diesjährige Europatag gibt – vor dem Hintergrund von tagtäglichen Schreckensnachrichten aus dem Mittelmeer – Anlass, auch die verfehlte Asyl- und Migrationspolitik der EU-Staaten zu reflektieren und sich auf den Schuman‘schen Gedanken der Solidarität der Tat zu besinnen.
Rückfragen:
Susanne Fraczek fhfnaar.senpmrx@havivr.np.ng