Habitat-Tag
Anlässlich des World Habitat Day 2021 am 4. Oktober, weist das Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte (LBI-GMR) auf den nach wie vor existierenden Mangel an adäquatem und bezahlbarem Wohnraum sowie die Verschärfung der Problemlage im Zuge der COVID-19-Krise hin.
Mehr als 15% der Österreicher*innen leben in überbelegten Wohnungen, rund 7% in Wohnungen, die mehr als 40% des Einkommens in Anspruch nehmen. Besonders hoch ist dieser Anteil innerhalb der Gruppe der armutsgefährdeten Menschen. Zusätzlich verschärft hat sich die Situation im Zuge der COVID-19-Pandemie. Vor allem für einkommensschwächere Familien stellten die oft beengten räumlichen Verhältnisse in Kombination mit den strikten Ausgangsbeschränkungen eine zusätzliche Belastung dar. Darunter litten wiederum Frauen und Kinder bzw. Jugendliche überproportional stark.
Außerordentlich prekär war die Situation für obdach- und wohnungslose Menschen. Sie sind oft gesundheitlich vorbelastet, haben in der Regel kein „Zuhause“, in das sie sich zurückziehen könnten, und sind in Notunterkünften einer hohen Infektionsgefahr ausgesetzt. Ihre Situation wurde zusätzlich verschärft durch die Einschränkung des entsprechenden Leistungsangebotes. Die Reduktion des Angebots an niederschwelliger Versorgung legte etwa Lücken in der medizinischen Versorgung von Obdach- und Wohnungslosen schonungslos offen. So verzeichnete die Wiener Sozialorganisation „neunerhaus“ während der ersten Welle der Pandemie bis zu 74% mehr Patient*innen, die eine ärztliche Behandlung in Anspruch nahmen.
Festgehalten wird das Recht auf Wohnen auch in Artikel 31 der (revidierten) Europäischen Sozialcharta. Die Vertragsparteien verpflichten sich demnach Maßnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen:
- den Zugang zu Wohnraum mit ausreichendem Standard zu fördern;
- der Obdachlosigkeit vorzubeugen und sie mit dem Ziel der schrittweisen Beseitigung abzubauen;
- die Wohnkosten für Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, so zu gestalten, dass sie tragbar sind.
Österreich hat diesen Artikel der Charta bisher allerdings nicht ratifiziert. „Das gilt es dringend zu ändern“, so Karin Lukas, Präsidentin des Europäischen Ausschusses für Soziale Rechte und Senior Researcherin am LBI-GMR. „Die Europäische Sozialcharta, der zentrale Menschenrechtsvertrag zu sozialen Rechten in Europa, enthält Wohnen als fundamentales Recht. Die COVID-19-Pandemie hat die für viele ohnehin schon prekäre Situation weiter verschärft und wird ohne gegensteuernde Maßnahmen zu einem Anstieg von Überbelegung, finanzieller Belastung durch Wohnkosten und Obdach- bzw. Wohnungslosigkeit führen“, so Lukas.
Zu den Konsequenzen der COVID-19-Pandemie für den Bereich Wohnen forscht das LBI-GMR aktuell im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit der Arbeiterkammer Wien zu den Auswirkungen der Krise auf die europäischen Sozialstaaten.