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06 Dez 2023 von lbigmr

Klimaschutz und Generationengerechtigkeit: Wer ist verantwortlich?

Im Vorfeld des internationalen Tages der Menschenrechte diskutierten hochkarätige Expert:innen über Klimaschutz und Generationengerechtigkeit.

Jeder Mensch hat das Recht, in einer „sicheren, sauberen, gesunden und nachhaltigen Umwelt“ zu leben, bekräftigt eine im Juli 2022 verabschiedete Resolution der Vereinten Nationen. Damit unterstreicht die internationale Gemeinschaft unmissverständlich das Zusammenspiel zwischen Menschenrechten und Umwelt. Welche konkreten Maßnahmen braucht es aber, um zukünftigen Generationen einen lebenswerten Planeten Erde zu hinterlassen? Sind Störaktionen oder auch Klimaklagen ein probates Mittel, um die Menschheit zum Handeln zu bewegen? Wie lässt sich eine Wohlstandsverminderung in der Gegenwart im Abtausch gegen künftige Klimasicherheit sozialpolitisch durchsetzen? Und wer trägt letztendlich die Verantwortung: Politik, Wirtschaft, Gerichte oder doch die Konsument:innen?

Auf Einladung des Ludwig Boltzmann Instituts für Grund- und Menschenrechte (LBI-GMR), von Amnesty International Österreich, der Österreichischen Liga für Menschenrechte und der Universität Wien diskutierte am Dienstag, 5. Dezember 2023, in der bis auf den letzten Platz gefüllten Roten Bar im Wiener Volkstheater ein hochkarätiges Panel über das Zusammenspiel zwischen Menschenrechten und Umwelt.

„Wären wir in den 1950er- oder 1960er-Jahren, wäre ich mit dem Diskurs zufrieden“, kritisierte Rechtsanwältin Michaela Krömer Tempo und Intensität von Klimaschutzmaßnahmen. „Für Pessimismus ist es zu spät“, rief sie zu raschem Handeln auf. Dabei werde es nicht ganz ohne Verbote gehen, das stelle sie auch in der Kindererziehung immer wieder fest.

Lena Schilling, Klimaaktivistin und Gründerin des Jugendrats von „Fridays for Future“, unterstrich die Bedeutung von zivilem Ungehorsam für die Weiterentwicklung von Gesellschaften und verwies auf die Errungenschaften früherer Generationen. „Wir sind die letzte Generation, die noch etwas verändern kann“, so die Klimaaktivistin. Es gehe der jungen Generation nicht nur darum, gehört zu werden, sondern auch partizipativ mitgestalten zu können.

Die Nationalratsabgeordnete und Grüne Menschenrechtssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic wünsche sich nicht nur alte weiße Männer mit SUVs, sondern auch junge kritische Stimmen im Parlament. „Ich komme selbst aus dem Aktivismus und bin in die Politik gegangen, weil ich da nochmals andere Hebel habe.“ In Sachen Klimaschutz spreche die Wissenschaft eine eindeutige Sprache. Dieser gelte es zu vertrauen. „Bereits jetzt lebende Generationen sind mit irreversiblen Schäden konfrontiert“, warnte Ernst-Dziedzic davor, weiter auf Zeit zu spielen. Sie fordert: „Klima vor Profite“.

„Ich will mich nicht dem Narrativ der drohenden Apokalypse anschließen“, so Laura Sachslehner, ÖVP-Abgeordnete zum Wiener Landtag und Gemeinderat. Klimaschutz sei eine von vielen wichtigen Herausforderungen. Sie habe aber Respekt vor allen, die sich politisch engagieren. „Alle Parteien – inklusive meiner – müssen sich an der Nase nehmen“, so Sachslehner.

Christian Piska, ao. Universitätsprofessor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, wünscht sich ein gemeinsames Mindset. „Nachhaltiges Handeln ist viel mehr als CO2-Reduktion“, so der Verfassungsrechtler. „Die Rechtsordnung als Vehikel zu verwenden, ist ein Fehler. Das Recht ist nicht so mächtig“, stellt Piska fest. Es gehe darum, alle mitzunehmen und ideologische Schwarz-Weiß-Malerei beiseite zu lassen. Den zahlreichen Vertreter:innen der Letzten Generation im Publikum bescheinigte er „Ihr seid alle Demokraten, auch wenn ihr als Revolutionäre auftretet“.

Sebastian Heinzel, CEO des Papierherstellers Heinzel Group, will mit seinem Unternehmen Teil der Lösung und nicht des Problems sein. Dafür wünsche er sich klare, einfache Spielregeln anstelle von Mikroregulatorien. „Aktuell wissen selbst die Willigen in der Wirtschaft nicht, wie sie weitermachen sollen.“ Er sehe die Politik in der Verantwortung und gehe davon aus, dass der gesellschaftliche Konsens in Sachen Klimaschutz weit höher sei als seitens der Politik vermutet werde.

Durch den Abend führte Sebastian Öhner, Vorstandsmitglied der Österreichischen Liga für Menschenrechte. Im Anschluss an die lebhafte Publikumsdiskussion luden die Veranstalter:innen noch zum geselligen Austausch bei einem Empfang im Weißen Salon des Volkstheaters.

Die Human Rights Talks verstehen sich als Plattform für den gesellschaftlichen Diskurs zu aktuellen Themen mit menschenrechtlicher Relevanz. Die Veranstaltungen präsentieren der interessierten Öffentlichkeit hochkarätige Vortragende und analysieren menschenrechtliche Herausforderungen sowie gesellschaftspolitische Strömungen differenziert und mit fachlicher Expertise, zugleich aber auf zugängliche Weise und mit Praxisbezug. Wichtiger Bestandteil des Formats ist neben inhaltlichen Beiträgen die interaktive Publikumsdiskussion.

a. Lena Schilling, Laura Sachslehner, Ewa Ernst-Dziedzic, Sebastian Öhner, Christian Piska, Michaela Krömer und Sebastian Heinzel (v.l.n.r.).© Elena Azzalini