18 Dez 2023 von lbigmr

Kosovarische Delegation zu Besuch: Ein Austausch über Strategien zum Schutz von Minderheiten

Das Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte ermöglichte Einblicke in diverse österreichische Institutionen, die sich dem Minderheitenschutz widmen.

Eine Delegation des kosovarischen Ministry of Community and Returns besuchte von 20. bis 24. November 2023 diverse österreichische Institutionen und gewann so einen Einblick in den österreichische Volksgruppen- und Minderheitenschutz.

Den Auftakt der Woche bildete ein Treffen am Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte (LBI-GMR), wo die Teilnehmer:innen über die Arbeit und die organisatorische Struktur des Instituts sowie die rechtliche Situation und Herausforderungen bezüglich des Minderheitenschutzes in Österreich informiert wurden. Im Fokus standen unter anderem der Geltungsbereich des Volksgruppengesetzes und das Spannungsfeld zwischen Anti-Diskriminierung und Minderheitenschutz. Im Rahmen des anschließenden Austauschs wurde von Seiten der Delegation angemerkt, dass sie die Errichtung einer vergleichbaren Institution im Kosovo begrüßen würden. Dadurch könne neben bereits bestehenden Organen zur Ad-hoc-Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen auch eine Struktur zu deren Vorbeugung geschaffen werden.

Am Nachmittag wurden die Teilnehmer:innen vom Romano Centro, der Interessensvertretung der in Österreich beheimateten Roma, empfangen. Das Romano Centro präsentierte seine Initiativen zur Eindämmung der Diskriminierung und Verbesserung der Lebenssituation der Roma und ging auf die Geschichte der Roma in Österreich ein. Die Wichtigkeit der Arbeit des Zentrums wurde deutlich anhand der Gegenüberstellung der Gesamtzahl der Roma-Gruppen in Österreich mit der vergleichsweise geringen Zahl der durch das Volksgruppengesetz geschützten Roma. Als wichtige Errungenschaft ging die schulische Unterstützung von Roma-Kindern hervor, welche bisher aufgrund von personellen Engpässen jedoch nur im kleinen Stil möglich ist.

Der zweite Tag umfasste einen Besuch im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, wo die Delegation einer Präsentation über Fragen des internationalen Volksgruppen- und Minderheitenschutzes beiwohnte. Der Vortrag gewährte Einblick in die historischen Hintergründe des Vielvölkerstaats Österreich, die Verabschiedung des Volksgruppengesetzes sowie die Natur der bilateralen Beziehungen im Rahmen des Minderheitenschutzes. Thematisiert wurde unter anderem die politische Partizipation von Minderheiten, was im österreichischen Parlament durch den Volksgruppenbeirat gewährleistet wird.

Tag drei begann im Menschenrechtsbüro der Stadt Wien, welches mit der Aufgabe betraut ist, jegliche Menschenrechtsarbeit in Wien zu koordinieren und insbesondere Menschenrechte gemäß der Deklaration „Wien – Stadt der Menschenrechte“ auf der lokalen Ebene zu verwirklichen. Von Seiten der Teilnehmer:innen wurde angemerkt, dass zwar alle im Vortrag genannten internationalen Verträge in der kosovarischen Verfassung Eingang fänden, es jedoch noch an Initiativen auf der lokalen Ebene fehle.

Nachmittags wurde die Delegation im österreichischen Parlament empfangen, wo sie über die Dialogplattform autochthoner österreichischer Minderheiten erfuhr, welche den Austausch zwischen Parlamentarier:innen und Volksgruppenvertreter:innen ermöglicht und somit die Grundlage für informierte Entscheidungsfindungen und Gesetzgebungsverfahren bildet.

Tag vier führte das LBI-GMR und seine Besucher:innen nach Eisenstadt, dem Sitz der Volksgruppenredaktion des ORF. Ziel des Besuchs war es, mehr über die speziell auf autochthone Minderheiten zugeschnittenen Rundfunkprogramme zu erfahren, die der ORF im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags produziert. Die Vortragenden gewährten interessante Einblicke in die politischen Hintergründe für das Ausmaß der Angebote, die Unterschiede zwischen der jeweiligen Standardsprache und der dialektalen Ausprägung sowie damit zusammenhängende Herausforderungen.

Am letzten Tag gab es einen Einblick in die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle Steiermark (ADDS), welcher jährlich ca. 700 Fälle gemeldet werden, 30 Prozent davon aufgrund ethnischer Diskriminierung. Zusätzlich zur Beratungsleistung und Unterstützung bei Polizei und Gericht ist Bewusstseinsbildung ein wichtiges Anliegen. Die ADSS hat beispielsweise eine App – HateBan – kreiert, um anonym Fälle von Diskriminierung zu melden. Dies soll einerseits erleichtern, Fälle zu melden und andererseits wird dadurch ein realitätsnahes Bild von Diskriminierung in Österreich ermöglicht.

Der abschließende Besuch fand beim Migrant:innenbeirat der Stadt Graz statt. Diese Stelle ist die politische Vertretung für die Menschen, die aufgrund ihrer nichtösterreichischen Nationalität kein Wahlrecht haben. Mit den Teilnehmer:innen wurden Fragen der politischen Unabhängigkeit und des Budgets sowie die Möglichkeiten und Aufgaben des Beirats diskutiert.

Der Studienbesuch gab der Delegation aus dem Kosovo die Möglichkeit, Maßnahmen kennenzulernen, welche die kosovarische Strategie zum Minderheitenschutz verbessern könnten. Der Besuch förderte den Austausch von Wissen und Best Practice. Dies kann nun der institutionellen Kooperation, wie einer engeren Zusammenarbeit zwischen kosovarischen Amtsträger:innen und der Zivilgesellschaft, zu Gute kommen.

a. Kosovar delegation visiting ©LBI-GMR