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22 Apr 2024 von lbigmr

Reproduktive Rechte von Frauen und das Menschenrecht auf Leben – ein Widerspruch?

Hochkarätige Expert:innen diskutierten im Rahmen eines Human Rights Talks über Fortschritte, Rückschritte und Potenziale.

Für viele Frauen sind reproduktive Rechte auch in westlichen Demokratien noch immer keine Selbstverständlichkeit. Insbesondere die Frage der Abtreibung spaltet Gesellschaften. Während in den USA und Polen das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche zuletzt massiv eingeschränkt wurde, hat Frankreich die Freiheit zum Abbruch Anfang März 2024 in den Verfassungsrang erhoben. Auch in Österreich rücken Fragen der Regulierung von Sexualität und Reproduktion immer wieder ins Zentrum politischer und rechtlicher Auseinandersetzung. Welche Funktion hat das Recht in diesen ebenso intimen wie kontroversen Fragen? Konfligieren die reproduktiven Rechte von Frauen und deren Selbstbestimmung womöglich mit dem Menschenrecht auf Leben des ungeborenen Kindes?

Darüber diskutierte auf Einladung des Ludwig Boltzmann Instituts für Grund- und Menschenrechte (LBI-GMR), der Österreichischen Liga für Menschenrechte und der Universität Wien am Donnerstag, 18. April 2024, an der Diplomatischen Akademie Wien ein hochkarätiges Panel.

In ihren Eröffnungsworten wies Ursula Kriebaum (Universität Wien) darauf hin, dass heutzutage weiterhin weniger als 50% der Frauen weltweit die Möglichkeit haben, frei über ihren Körper zu entscheiden. Sie stellte daher gleich zu Beginn fest, dass hinsichtlich der reproduktiven Rechte von Frauen noch erheblicher Handlungsbedarf gegeben sei.

In einer ähnlichen Tonalität betonte Inga Winkler (Central European University), dass auch Österreich bei dieser Thematik keine Insel der Seligen sei. „Ich denke, dass Österreich, aufgrund der Tatsache, dass der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch geregelt ist, im internationalen Vergleich nicht gut dasteht. Das Unrechtsurteil sowie die Stigmatisierung, welche damit einhergeht, haben nicht nur enorme Auswirkungen auf die Frauen, sondern auch auf die medizinische Versorgung.“

In diesem Zusammenhang kritisierte Shoura Zehetner-Hashemi (Amnesty International Österreich) den Umstand, dass der Schwangerschaftsabbruch die einzige Gesundheitsleistung in Österreich sei, die im Strafgesetzbuch verankert bleibe. Ergänzend fügte sie hinzu: „Letztes Jahr jährte sich die Einführung der Fristenlösung zum 50. Mal. Vor 51 Jahren war das eine gute Lösung, die gefunden wurde. Wir halten die Fristenlösung jedoch mittlerweile für veraltet. Sie gehört aus unserer Sicht überarbeitet.“

Über die Motivlage, warum eine Frau eine Schwangerschaft nicht fortsetzen könne, wollte sich Peter Kampits (Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt der Republik Österreich) kein Urteil erlauben. Er betonte aber, dass dies die autonome Entscheidung der Frau sei. „Ich bin der Meinung, in einer weltanschaulich pluralistischen Gesellschaft sollten Frauen frei entscheiden können.

Dazu, bis zu welcher Woche ein Schwangerschaftsabbruch künftig erlaubt sein solle, wollten sich die Sprecher:innen nicht festlegen.

Für Barbara Maier (Sigmund Freud Privatuniversität Wien & Österreichische Gesellschaft für Familienplanung) steht außer Frage, dass die sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung integraler Bestandteil der Menschenrechte ist. Ein solches Recht müsse dementsprechend auch verwirklicht werden können. Dazu gehöre laut Maier ein allgemeiner Zugang zu Verhütungsmitteln. Ich bin dafür, dass Verhütungsmittel kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Man kann zwar behaupten, dass die Kosten für die Pille überschaubar sind, doch vor allem bei Langzeitverhütungsmitteln wie der Spirale, die bis zu 500€ kostet, sieht die Situation anders aus. Das können sich nicht alle Frauen leisten.“

Durch den Abend führte Eva Stanzl, Wissenschaftsredakteurin bei der Wiener Zeitung sowie Vorsitzende des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen Österreichs. Im Anschluss an die lebhafte Publikumsdiskussion luden die Veranstalter:innen zum geselligen Austausch.

Die Human Rights Talks verstehen sich als Plattform für den gesellschaftlichen Diskurs zu aktuellen Themen mit menschenrechtlicher Relevanz. Die Veranstaltungen präsentieren der interessierten Öffentlichkeit hochkarätige Vortragende und analysieren menschenrechtliche Herausforderungen sowie gesellschaftspolitische Strömungen differenziert und mit fachlicher Expertise, zugleich aber auf zugängliche Weise und mit Praxisbezug. Wichtiger Bestandteil des Formats ist neben inhaltlichen Beiträgen die interaktive Publikumsdiskussion.