Soziale Rechte: Müssen sie in die Verfassung?
Am Dienstag, 13. Juni 2023, widmete sich ein Human Rights Talk der Bedeutung sozialer Rechte. Hochkarätige Expert:innen diskutierten an der Diplomatischen Akademie Wien darüber, welche konkreten Folgen eine verfassungsrechtliche Verankerung mit sich bringen würde.
Soziale (Menschen-) Rechte umfassen unter anderem die Rechte auf Arbeit, Gesundheit und Wohnen. Obwohl sie in der Europäischen Sozialcharta völkerrechtlich verankert sind, genießen sie bis heute nicht denselben Stellenwert wie bürgerliche und politische Rechte. Nur wenige europäische Länder haben die Charta bisher vollständig ratifiziert. Auch Österreich hat rund ein Viertel der enthaltenen Bestimmungen noch nicht unterzeichnet. Anders als viele andere Staaten hat Österreich die sozialen Rechte auch noch nicht in die Verfassung aufgenommen.
Auf Einladung des Ludwig Boltzmann Instituts für Grund- und Menschenrechte (LBI-GMR), von Amnesty International Österreich, der Österreichischen Liga für Menschenrechte und der Universität Wien diskutierte am Dienstag, 13. Juni 2023, an der Diplomatischen Akademie Wien ein hochkarätiges Panel über die Hintergründe.
In ihren Eröffnungsworten wies Teresa Hatzl (Amnesty International Österreich) auf die große Bedeutung sozialer Menschenrechte in unser aller Alltag hin: von der Ernährung über die Bildung bis hin zum Wohnen.
Karin Lukas (Central European University) betonte, dass Österreich zwar als Sozialstaat begriffen werde, dies aber nicht verfassungsmäßig abgesichert sei. Eine einfache Mehrheit im Nationalrat – in manchen Angelegenheiten auch in einem Landtag – kann tiefgehende Einschnitte in das Arbeits- und Sozialsystem beschließen, ohne dabei auf klare verfassungsrechtliche Grenzen zu stoßen. Weiters ist es für Betroffene ein wichtiges Signal, wenn soziale Rechte in den Verfassungsrang gehoben und damit zu höheren Schutzgütern werden.
Die Gründe, warum die Sozialen Rechte nicht verfassungsmäßig abgesichert sind, brachte Brigitte Ohms (Bundeskanzleramt der Republik Österreich) auf den Punkt: „Man konnte sich nicht einigen“. Sie bezog sich dabei auf den Österreich-Konvent, welcher in den Jahren 2003 bis 2005 über Vorschläge für eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform beraten hatte.
Bernhard Achitz (Volksanwalt für Soziales, Pflege und Gesundheit) zeigte sich überzeugt, dass die Verfassung den gesellschaftspolitischen Grundkonsens abbilden sollte. „Ich würde besser schlafen, wenn der Verfassungsgerichtshof nicht immer Kopfstände machen müsste“, so Achitz weiter. Und: „Auf der Seite der bürgerlichen Rechte haben wir eine verfassungsrechtliche Leitplanke. Auf der Seite der sozialen Rechte fehlt sie.“
Wolfgang Mazal (Universität Wien) äußerte sich kritisch zu einer verfassungsrechtlichen Verankerung, da die Bestimmung des Niveaus von Sozialleistungen Sache des Parlaments sei. Allerdings sollten hinsichtlich der Grundrechte zur Absicherung der Würde des Menschen die bestehenden Potenziale noch besser genutzt werden, so Mazal weiter.
Martin Schenk (Diakonie Österreich; Armutskonferenz) wies darauf hin, dass Österreich bei der Bekämpfung der Kinderarmut im EU-Vergleich sehr gut abschneide. Anders sehe es jedoch hinsichtlich des sozialen Aufstieges von Kindern aus armutsgefährdeten Familien aus. „Armut ist ein Mangel an Gütern und an Möglichkeiten“, so Schenk.
Durch den Abend führte Eric Frey (Der Standard).
Die Human Rights Talks verstehen sich als Plattform für den gesellschaftlichen Diskurs zu aktuellen Themen mit menschenrechtlicher Relevanz. Die Veranstaltungen präsentieren der interessierten Öffentlichkeit hochkarätige Vortragende und analysieren menschenrechtliche Herausforderungen sowie gesellschaftspolitische Strömungen differenziert und mit fachlicher Expertise, zugleich aber auf zugängliche Weise und mit Praxisbezug. Wichtiger Bestandteil des Formats ist neben inhaltlichen Beiträgen die interaktive Publikumsdiskussion.
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