von Andrea Ludwig und Volker Frey, Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern
Die Europäische Union hat basierend auf der Grundlage der Artikel 19 und 157 AEUV (ex-Artikel 13 und 141 EG-Vertrag mehrere Richtlinien zum Diskriminierungsschutz erlassen:
- Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft
- Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf
- Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen
- Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen
Diese Richtlinien legen europaweit Mindeststandards fest und müssen in nationales Recht umgesetzt werden. Die Umsetzung in Österreich erfolgte durch eine Reihe von Rechtsvorschriften auf Bundes- und Länderebene.
Gesetzliche Grundlagen
Das Gleichbehandlungsgesetz findet seine Anwendung in der Privatwirtschaft und regelt derzeit die folgenden fünf Bereiche:
- Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt
- Gleichbehandlung in der Arbeitswelt ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung
- Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit außerhalb der Arbeitswelt
- Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen
- Grundsätze für die Regelung der Gleichbehandlung im Arbeitsleben in der Land- und Forstwirtschaft
Das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz gilt bei Dienst- und Ausbildungsverhältnissen zum Bund. Danach sind Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, des Alters, der sexuellen Orientierung, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung verboten.
Im Bereich der Länderzuständigkeiten wird die Gleichbehandlung durch die einzelnen Ländergesetze geregelt.
Das Diskriminierungsverbot aufgrund einer Behinderung in der Arbeitswelt und außerhalb der Arbeitswelt sowohl für die Privatwirtschaft als auch für den Bereich des Bundes findet seit 2006 in einem eigenen Behindertengleichstellungspaket seinen Niederschlag. Die Vorgaben der EU in Bezug auf die Gleichbehandlung in der Arbeitswelt werden im Behinderteneinstellungsgesetz umgesetzt. Für den Bereich außerhalb der Arbeitswelt gilt das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz.
Am 26. September 2008 wurde die „Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ von Österreich ratifiziert. Wie alle Menschenrechtskonventionen ist auch die Behindertenkonvention ein völkerrechtlicher Vertrag, der sich in erster Linie an den Staat richtet. Die Umsetzung des Übereinkommens durch die Vertragsstaaten wird vom UN-Ausschuss zum Schutze der Rechte von Menschen mit Behinderungen, einem Vertragsorgan der Vereinten Nationen, überwacht.
Diskriminierungsgründe
Die Gesetze verbieten Diskriminierungen aus den Gründen Geschlecht, Alter, ethnische Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, sexuelle Orientierung und Behinderung.
Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist eine benachteiligende, sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Frauen und Männern und gilt sowohl in der Arbeitswelt als auch beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Das Gesetz verweist darauf, dass es insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand nicht zu einer Ungleichbehandlung kommen darf. Der Begriff „Geschlecht“ umfasst neben Frauen und Männern auch transsexuelle Personen.
Das Diskriminierungsverbot hinsichtlich des Alters gilt in der Arbeitswelt und betrifft alle Altergruppen. Nicht nur die Benachteiligung von Personen höheren Alters gegenüber Jüngeren ist umfasst, sondern auch von jüngeren gegenüber älteren Menschen.
Ungleichbehandlungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit knüpfen zumeist an äußerlich erkennbare Merkmale einer Person an, wie Hautfarbe, Nationalität, Kultur, Muttersprache, Umgangssprache oder Namen an. Dieses Diskriminierungsverbot gilt sowohl in der Arbeitswelt auch außerhalb.
Wegen der Religion oder der Weltanschauung darf niemand in der Arbeitswelt diskriminiert werden. Darunter fallen nicht nur die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie die staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaften, sondern auch Glaubensgemeinschaften. Vom Verbot ist auch die so genannte negative Religionsfreiheit umfasst, das heißt, niemand darf aus dem Grund diskriminiert werden, weil er oder sie keiner Religion zugehörig ist.
Im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis darf niemand aufgrund seiner sexuellen Orientierung benachteiligt werden. Dieser Bestimmung zufolge ist es verboten Unterschiede zwischen Menschen danach zu machen, ob sie sich zu Personen des anderen oder des eigenen Geschlechts, oder zu beiden Geschlechtern, hingezogen fühlen. Die sexuelle Orientierung umfasst demzufolge Hetero-, Homo- und Bisexualität.
Das Verbot der Diskriminierung aufgrund einer Behinderung gilt in der Arbeitswelt und auch in den anderen Bereichen des täglichen Lebens. Laut gesetzlicher Definition sind alle nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen, psychischen und Sinnesbehinderungen vom Begriff der Behinderung umfasst. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Die getrennte Behandlung der einzelnen Diskriminierungsgründe wird der Realität der betroffenen Menschen aber nicht in allen Fällen gerecht. Eine ungerechtfertigte Benachteilung kann sich auch auf zwei oder mehrere Gründe beziehen (Mehrfachdiskriminierung). Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine ältere Rollstuhlnutzerin wegen ihres Geschlechts, der Behinderung und dem Alter im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis diskriminiert wird.
Anwendungsbereich
Der Schwerpunkt des Rechtsschutzes liegt im Bereich von Diskriminierungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis aufgrund aller sieben Diskriminierungsgründe. Geschützt werden neben unselbständig tätigen ArbeitnehmerInnen auch Lehrlinge, ausländische ArbeitnehmerInnen oder Personen, die sich in der Probezeit befinden. Auch HeimarbeiterInnen und arbeitnehmerähnliche Personen, die auf Basis freier Dienst- oder Werkverträge tätig sind, dürfen nicht diskriminiert werden. Der Begriff des Arbeitsverhältnisses beinhaltet dabei alle Bereiche von der Ausschreibung und Besetzung einer Stelle bis hin zum Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis.
Das Diskriminierungsverbot im Zusammenhang mit der Begründung eines Arbeitsverhältnisses gilt gleichermaßen für Betriebe, Personalvermittlungsagenturen und Leiharbeitsfirmen und beinhaltet Vorfälle im Rahmen des Bewerbungsprozesses, des Bewerbungsgespräches und des Vertragsabschlusses.
Das Prinzip der Entgeltgleichheit verbietet Diskriminierungen nicht nur in Bezug auf das eigentliche Grundgehalt, sondern auch bei allen anderen Gehaltselementen, wie Überstundenpauschalen, Erschwerniszulagen oder Betriebspensionen.
Das Gleichbehandlungsgebot betrifft darüber hinaus auch die seitens der ArbeitgeberInnen gewährten freiwilligen Sozialleistungen. Eine Definition findet sich im Gesetz jedoch nicht. Als freiwillige Sozialleistungen ohne Entgeltcharakter gelten zum Beispiel die Förderung sportlicher Aktivitäten, die Benützung von Sportanlagen und Sauna, die Bereitstellung von Werkswohnungen, Werksküchen oder Essensgutscheinen.
Die Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung müssen allen ArbeitnehmerInnen diskriminierungsfrei zugänglich sein. Der Ausbildungsbegriff umfasst dabei die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Zusammenhang mit den betriebsinternen Erfordernissen zur Erlangung und/oder Verbesserung der Qualifikation der ausgeübten Tätigkeit. Maßnahmen zur Weiterbildung, als Anschlussqualifikation an die Ausbildung, sollen den Grundstein zum beruflichen Aufstieg legen Die Umschulung soll als häufige Hilfsmaßnahme vor allem neue Qualifikationen vermitteln. Eine exakte Abgrenzung der Begriffe ist aber nicht erforderlich, denn der Gesetzgeber strebt in diesem Bereich eine umfassende Regelung an.
Auch der berufliche Aufstieg, insbesondere die Beförderungen als in der Praxis wohl wichtigster Unterfall eines beruflichen Aufstiegs, müssen diskriminierungsfrei verlaufen. Unter beruflichen Aufstieg fallen sowohl ein höheres Entgelt, die Übertragung von (mehr) Verantwortung als auch die Erlangung von größerem Prestige. Der Begriff ist daher sehr weit zu fassen. Eine Definition findet sich im Gesetz jedoch nicht, weshalb einige Anhaltspunkte für die Präzisierung der Judikatur entnommen werden müssen.
Das Gesetz normiert weiterhin die Diskriminierungsfreiheit bei den sonstigen Arbeitbedingungen. Dieser Begriff ist bewusst sehr weit gefasst, damit sichergestellt ist, dass alle möglichen Formen von Diskriminierung, die im Zusammenhang mit der Ausübung der beruflichen Tätigkeit stehen, erfasst werden. Dazu zählen zum Beispiel die Zuteilung konkreter Arbeitsaufgaben, die Vergabe von befristeten Dienstverträgen, die Urlaubseinteilung, die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und auch der Umgang mit Karenzierungen oder Pflegefreistellungen.
Es darf weiterhin niemand bei der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses (z.B. Schulungsmaßnahme beim AMS), bei der Mitgliedschaft in einer ArbeitnehmerInnen- oder ArbeitgeberInnenorganisation und beim Zugang zu Leistungen zu solchen Organisationen, sowie beim Zugang zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit diskriminiert werden. Auch die sonstigen, in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis stehenden Bereiche, sind dadurch vom Diskriminierungsschutz umfasst.
Mit Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung sowie Umschulung sind solche gemeint, die auf in einem aufrechten Arbeitsverhältnis befindliche ArbeitnehmerInnen abzielen. Aber auch Arbeitssuchende, die Kurse beim AMS belegen oder Personen, die sich außerhalb des Arbeitsverhältnisses in einer Erwachsenenbildungseinrichtung weiterbilden, sind vom Anwendungsbereich umfasst. Teilzeitarbeit wird in vielen Unternehmen mehrheitlich immer noch von Frauen verrichtet. Bietet ein solches Unternehmen eine Weiterbildung nur für Vollzeitbeschäftigte an, so liegt darin eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.
Die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen bei Diskriminierungen bei sonstigen Arbeitsbedingungen beträgt drei Jahre. Es besteht ein Anspruch auf die Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen. Alternativ kann der Ersatz des finanziellen Schadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung gefordert werden. Auch bei Diskriminierungen im Zusammenhang mit Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und Umschulung beträgt die Frist drei Jahre innerhalb der die Ansprüche geltend gemacht werden müssen. Die benachteiligte Person hat ein Wahlrecht. Entweder macht sie ihren Anspruch auf Einbeziehung in die entsprechende betriebliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahme geltend, oder fordert den Ersatz des finanziellen Schadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.
Ein Diskriminierungsverbot ist auch für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gesetzlich normiert. Umfasst sind davon Benachteiligungen bei allen Beendigungsarten, wie die Auflösung eines Dienstverhältnisses in der Probezeit, die Kündigung und die Entlassung.
Das Gleichbehandlungsgebot gilt darüber hinaus sowohl für innerbetriebliche als auch für öffentlich gemachte Stellenausschreibungen. ArbeitgeberInnen sowie private und öffentliche ArbeitsvermittlerInnen müssen freie Stellen diskriminierungsfrei formulieren. Ein Abgehen von diesem Grundsatz ist nur dann nicht diskriminierend, wenn das betreffende Merkmal eine entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt.
Außerhalb der Arbeitswelt darf niemand aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und hinsichtlich des letzt genannten Punktes auch aufgrund des Geschlechts in den folgenden Bereichen benachteiligt werden:
- beim Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste
(z.B. Familienbeihilfe, Arbeitslosengeld, Pflegegeld)
- bei sozialen Vergünstigungen (z.B. Wohnungs-
beihilfen, Rezeptgebührenbefreiung)
- bei der Bildung (z.B. Zugang zu Schulen)
- beim Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (z.B. Restaurants, Geschäfte), einschließlich Wohnraum (z.B. Wohnungsmiete und Wohnungskauf, sofern das Angebot einer breiten Öffentlichkeit bekanntgemacht wurde)
Diskriminierungsformen
Das Diskriminierungsverbot unterscheiden folgende Formen von Diskriminierung:
- unmittelbare Diskriminierung,
- mittelbare Diskriminierung,
- Anweisung zur Diskriminierung,
- Belästigung und sexuelle Belästigung,
- Viktimisierung (Benachteiligungsverbot),
- Angehörigenschutz.
Die unmittelbare Diskriminierung ist die am leichtesten erkennbare und fassbare Form von Diskriminierung. Sie liegt dann vor, wenn eine Person aufgrund eines bestimmten Merkmals in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Ein Mitarbeiter wird wegen seiner bekannt gewordenen Homosexualität gekündigt, eine Hauseigentümerin vermietet nicht an eine Frau, weil diese eine dunkle Hautfarbe hat, ein Unternehmen weist eine Bewerberin ab, weil sie mit ihren 40 Jahren nicht ins Unternehmensteam passt – das sind alles Beispiele für eine unmittelbare Diskriminierung.
Eine mittelbare Diskriminierung ist dann gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die bestimmte Merkmale aufweisen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Verbietet eine Hausordnung Hunden den Zutritt zum Haus, so stellt das eine mittelbare Diskriminierung von Menschen dar, die auf einen Blindenführhund angewiesen sind. Wird es Teilzeitarbeitskräften nicht ermöglicht in Führungspositionen aufzusteigen oder sind sie von der Gewährung betrieblicher Sozialleistungen ausgeschlossen, so kann eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegen, da im Teilzeitbereich in bestimmten Unternehmenszweigen überwiegend Frauen beschäftigt sind. Bauliche Barrieren (z.B. Stiegen, Fehlen barrierefreier Toiletten) und Kommunikationsbarrieren (Fehlen von Untertitelungen) können mittelbare Diskriminierungen darstellen, wenn sie zu einer weniger günstigen Behandlung von Menschen mit Behinderungen führen.
Das Gleichbehandlungsrecht trägt der Tatsache Rechnung, dass Personen ihren Einfluss auf andere Personen ausnützen und deren Handlungen bestimmen. Es stellt klar, dass auch die Anweisung zu einer Diskriminierung verboten ist. Ganz klar darunter fällt die ausdrückliche Anweisung eines Lokalbesitzers an den Türsteher, keine Personen mit schwarzer Hautfarbe einzulassen.
Belästigung stellt immer dann eine Form der Diskriminierung dar, wenn eine Person aufgrund eines oder mehrerer spezieller Merkmale, die diese Person aufweist, durch unerwünschte Verhaltensweisen in ihrer Würde verletzt wird. Daneben gibt es auch die sexuelle Belästigung, die Verhaltensweisen umfasst, die der sexuellen Sphäre zugehörig sind. Im Bereich der Arbeitswelt ist nicht nur die Anweisung verboten, sondern sind die ArbeitgeberInnen darüber hinaus verpflichtet, die Belästigung abzustellen.
Zum Schutz von Personen, die sich gegen Diskriminierung in einem Verfahren zur Wehr setzen, als ZeugInnen oder als Auskunftspersonen in einem Verfahren auftreten, gibt es das gesetzliche Benachteiligungsverbot (sog. Viktimisierung). Die genannten Personen dürfen nicht benachteiligt werden, weil sie ein Diskriminierungsverfahren eingeleitet haben oder ein solches unterstützen.
Ausdrücklich geschützt sind im Zusammenhang mit einer Diskriminierung aufgrund einer Behinderung nicht nur die von der Diskriminierung betroffenen Personen, sondern auch Personen die zu ihnen in einem Naheverhältnis stehen. Der Angehörigenschutz er-streckt sich aufgrund des Gesetzes ausdrücklich auf:
- den Elternteil, der Aufgrund der Behinderung eines Kindes (Stief-, Wahl-, Pflegekind) diskriminiert wird und
- Angehörige (in gerader Linie außer Eltern ebenso Geschwister, Ehe- und LebenspartnerIn), die aufgrund der Behinderung einer Person diskriminiert werden, deren Betreuung sie behinderungsbedingt überwiegend wahrnehmen.
Einen Angehörigenschutz erwähnt das Gleichbehandlungsgesetz hingegen nicht ausdrücklich. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass auch eine solche Benachteiligung wegen Angehörigeneigenschaft unter das Gleichbehandlungsgesetz fällt.
Vom Gebot der Gleichbehandlung gibt es jedoch Ausnahmen.
Ausdrücklich ausgenommen sind sog. positive Maßnahmen. Man spricht von positiven Maßnahmen, wenn Ungleichbehandlungen diskriminierter bzw. benachteiligter Bevölkerungsgruppen vorübergehend und gezielt angewandt werden mit dem Ziel Chancengleichheit zu erreichen. Diese Maßnahmen, die von Förderprogrammen bis hin zu Quotenregelungen reichen können, werden missverständlich auch als „positive Diskriminierung“ bezeichnet.
Oft werden Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit als „Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsbürgerschaft“ getarnt. Seit dem Jahr 2008 stellt das Gleichbehandlungsgesetz aber unmissverständlich klar, dass Unterscheidungen nach der Staatsangehörigkeit nur möglich sind, wenn sie Bedingungen für die Einreise von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenloser Personen oder deren Aufenthalt sowie eine Behandlung, die sich aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenloser Personen ergibt. Privatpersonen und Unternehmen dürfen daher nur dort nach der Staatsangehörigkeit unterscheiden, wo sie durch Gesetze dazu verpflichtet sind.
Kollidiert das Gebot der Nicht-Diskriminierung mit einem anderen höherrangigen Recht, wie etwa der Religionsfreiheit oder dem Minderheitenschutz, so regelt dies das Gesetz mittels Sonderbestimmungen. Tendenzbetriebe zum Beispiel, die ganz klar eine bestimmte Religion oder Weltanschauung vertreten, dürfen von BewerberInnen verlangen, dass diese sich „dem Ethos der Organisation entsprechend“ verhalten.
Verfahren
Betroffenen von Diskriminierungen stehen unterschiedliche Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung offen. Sie können sich direkt an das jeweils zuständige Gericht wenden oder ihren Fall an die Gleichbehandlungskommission herantragen. Davor sollte jedoch eine Beratung in Anspruch genommen werden. Ansprechstellen wären die Gleichbehandlungsanwaltschaft, in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten die Interessenvertretungsorganisationen (Arbeiterkammer, ÖGB), bei Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung das Bundessozialamt und der Behindertenanwalt. Aber auch einschlägig tätige NGOs bieten Unterstützung.
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft bietet vertrauliche und kostenlose Beratung an. In Wien können sich Betroffene wegen aller Gründe an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden. In den Bundesländern Vorarlberg, Tirol und Salzburg gibt es jeweils nur für Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts Beratungsangebote. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft kann die betroffenen Person bei der Erarbeitung einer einvernehmlichen Lösung unterstützen und in einem gemeinsamen Gespräch zwischen den beteiligten Personen vermittelnd auftreten.
Das Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission kann im Vorfeld oder auch während eine Gerichtsverfahrens eingeleitet werden. Es hemmt die Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen. Die Kommission prüft in einem vertraulichen und kostenlosen Verfahren, ob eine Diskriminierung vorliegt. Das Verfahren endet mit einem Einzelprüfungsergebnis. Ist eine Diskriminierung festgestellt worden, so kann die Gleichbehandlungskommission Empfehlungen aussprechen, die sich an die für die Diskriminierung verantwortliche Person richtet. Die nachweisliche Beschäftigung mit dem Gleichbehandlungsgesetz, die Wiedergutmachung und auch die Beendigung der Diskriminierung können solche Empfehlungen seitens der Gleichbehandlungskommission sein. Diese Empfehlungen sind nicht bindend und ihre Nichteinhaltung bleibt sanktionslos. Das Prüfungsergebnis kann jedoch zur Klärung juristischer Detailfragen beitragen und zum Anlass genommen werden individuelle Lösungsvorschläge zu erarbeiten.
Bei einer Benachteiligung aufgrund einer Behinderung oder wenn bei einer Mehrfachdiskriminierung ein Diskriminierungsrund Behinderung ist, ist verpflichtend vor dem Gerichtsverfahren eine Schlichtungen vor dem Bundessozialamt durchzuführen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Gleichbehandlungsgesetz. Auch die Einleitung des Schlichtungsverfahrens führt zur Hemmung der gerichtlichen Fristen. Das kostenlose Verfahren bietet den Beteiligten die Möglichkeit auf ganz individuelle Weise zu einer Einigung zu kommen. Im Rahmen einer Schichtungsvereinbarung können alle getroffenen Abmachungen festgehalten werden. Endet das Schlichtungsverfahren aber mit der Bestätigung des Bundessozialamtes, dass eine Einigung nicht erzielt werden konnte, so steht der Gerichtsweg offen. Im Rahmen der Schlichtung kann auch die Möglichkeit der Mediation kostenlos in Anspruch genommen werden.
In einem Gerichtsverfahren können die gesetzlich normierten Ansprüche geltend gemacht werden. Abhängig von der Art der Diskriminierung kann die Beseitigung der Diskriminierung (z.B. Einbeziehung in eine betriebliche Aus- und Weiterbildung) oder Schadensersatz begehrt werden. Der Schadenersatz umfasst nicht nur den Ersatz materieller Schäden, sondern auch einen Ausgleich für die Verletzung der Würde der von Diskriminierung betroffenen Person (immaterieller Schadenersatz). Einrichtungen wie die Arbeiterkammer, die Gewerkschaften und auch der Klagsverband können Betroffene in einem Gerichtsverfahren unterstützen. Der Klagsverband kann darüber hinaus auf Verlangen der von Diskriminierung betroffenen Person dem Verfahren als Nebenintervenient beitreten.
Schwerpunkte
Einstellung
Das Gleichbehandlungsgesetz und das Behinderteneinstellungsgesetz formulieren kurz und bündig, dass niemand bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden darf.
Doch es liegt in der Natur der Personalauswahl, dass Entscheidungen und Unterscheidungen zwischen den BewerberInnen zu treffen sind. Diese sollen sachlich begründet sein, sachlich nicht gerechtfertigte Unterscheidungen, die mit einem der Diskriminierungsgründe zusammenhängen, müssen aber vermieden werden. Vorsätzliche Benachteiligungen von Angehörigen bestimmter Gruppen kommen zwar vor, sind aber nicht das Thema dieses Leitfadens. Es ist schwieriger mit Vorurteilen umzugehen, die oft hartnäckig sind und auf den ersten Blick auch sehr plausibel wirken. Es hilft daher sehr, sich bewusst zu machen, für welche man/frau besonders anfällig ist. Einige Beispiele solcher Vorurteile, die in Schulungen und der Beratungspraxis besonders häufig vorkommen, sind die folgenden:
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- „Für gewisse Stellen sind Männer/Frauen besser geeignet:“ Im internationalen Vergleich zeigen sich große Unterschiede, was typisch weibliche und männliche Arbeiten sind. Auch hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass viele typische Männer- und Frauenberufe von beiden Geschlechtern gut ausgeübt werden können (Kindergartenpädagogen, Polizistinnen, Technikerinnen,…). Nur in ganz speziellen Arbeitsfeldern (Hebammen, bestimmte Beratungen oder Therapien für Männer und Frauen) lässt sich die bessere Eignung argumentieren.
- „Wer nicht Deutsch kann, wird auch inhaltlich schwach sein:“ Dieses Vorurteil wirkt sehr oft unbewusst und führt leicht dazu, dass die fachlichen Qualifikationen oft gar nicht mehr ernsthaft überprüft werden. So übersehen Unternehmen oft sehr qualifizierte BewerberInnen – deren spezifische Sprachkenntnisse im Arbeitsalltag innerhalb kurzer Zeit ausreichend verbessert werden können.
- „Menschen mit Behinderung können diese Arbeit nicht erledigen:“ Wie im vorherigen Beispiel werden Einschränkungen in einem spezifischen Bereich oft generalisiert. Gerade der technische Fortschritt lässt viele Einschränkungen kompensieren. Es gibt zahlreiche Hilfsmittel (spezielle Software,…), welche die Auswirkungen von körperlichen und Sinnesbehinderungen minimieren. Speziell für die Beseitigung baulicher Barrieren gibt es Förderungen des Bundessozialamts. Regelmäßig zeigt sich, dass solche Verbesserungen allen MitarbeiterInnen zugute kommen.
In allen diesen Fällen gilt: Gerade PersonalistInnen sollten sich ihrer Vorurteile bewusst werden und lernen, diese in konkreten Situationen zu erkennen und zu prüfen, ob sie im Einzelfall der Realität entsprechen.
Stellenausschreibung
Die Ausschreibung einer Stelle steckt den Rahmen, wer sich überhaupt bewirbt. Hier können relativ leicht Fehler vermieden werden.
Das Ziel des Anti-Diskriminierungsrechts ist es, dass Entscheidungen nach sachlichen Kriterien getroffen werden. Daraus ergibt sich schon, dass Ausschreibungen jedenfalls eine Stellenbeschreibung und ein Anforderungsprofil enthalten sollten. Ohne Stellenbeschreibung lässt sich nicht nachvollziehen, ob das Anforderungsprofil nach sachlichen Kriterien verfasst wurde. Das Anforderungsprofil ist notwendig, um die BewerberInnen bewerten und reihen zu können. Nur durch den Vergleich lässt sich leicht überprüfen, ob sich die Anforderungen wirklich aus dem Anforderungsprofil ergeben. Stimmen sie nicht überein oder werden in der konkreten Auswahl andere Kriterien als die im Anforderungsprofil genannten verwendet, lässt sich allein daraus eine Diskriminierung vermuten.
Diese Punkte klingen selbstverständlich, fast banal. Ein Blick in die Wochenendauflagen von Zeitungen und in den Online-Stellenmarkt zeigt aber, dass diese grundlegenden Anforderungen oft genug nicht eingehalten werden. Aufgrund der Beweislastverschiebung im Gleichbehandlungs- und Behinderteneinstellungsgesetz müssen BewerberInnen, die sich bei einer Bewerbung benachteiligt fühlen, eine Diskriminierung nur glaubhaft machen. Das gelingt umso leichter, je unklarer der Ausschreibungstext und je willkürlicher das Anforderungsprofil sind.
Eine Stellenausschreibung ist umso weniger diskriminierend, je mehr TUN und je weniger SEIN darin vorkommt. Je konkreter die Tätigkeiten beschrieben werden, umso weniger sind vordergründige, diskriminierungsanfällige Identitäten (männlich, jung, deutsche Muttersprache) nötig.
Beispiele:
- Männer mögen durchschnittlich kräftiger sein als Frauen. Für einen konkrete, körperlich herausfordernde Tätigkeit sollten (und dürfen auch) nicht nur Männer angesprochen werden. Stattdessen sollte möglichst exakt beschrieben werden, welche körperlichen Anforderungen (Heben bestimmter Gewichte,…) bestehen. Alle BewerberInnen können dann entscheiden, ob sie sich dieser Aufgabe gewachsen fühlen – und müssen sie dann sowieso im Alltag nachweisen.
- Bei der Suche nach einer JugendbetreuerIn ist ein Höchstalter von 35 Jahren unzulässig. Wichtig ist zu klären, was von maximal 35-Jährigen erwartet wird: Sind sie fitter? Haben sie mehr Bezug zu Jugendkultur? Die Anforderungen „Bereitschaft und Fähigkeit zu sportlicher Betätigung“ und „Interesse und Aufgeschlossenheit für Jugendkultur (Musik, Mode,…)“ machen allen Interessierten klar, worum es bei dieser Tätigkeit geht – und überlässt den über und unter 35-Jährigen die Entscheidung, ob sie diese Anforderungen erfüllen.
Personalauswahl
Bewerbungsgespräche sind natürlich ebenfalls entscheidend, damit die Personalaufnahme nach sachlichen Kriterien erfolgt. Bei den Gesprächen ist besonders darauf zu achten, dass keine Fragen gestellt werden, die in die Privatsphäre eindringen und/oder in keinem Zusammenhang mit der angestrebten Tätigkeit stehen. Diese dürfen von BewerberInnen falsch beantwortet werden – sie garantieren also gar keinen Informationsgewinn. Darüber hinaus können solche „verbotenen“ Fragen ausreichen, um eine Diskriminierung glaubhaft zu machen.
Welche Fragen sind unzulässig? Eine abschließende Liste gibt es nicht. Ein Hinweis auf eine Diskriminierung lässt sich besonders ableiten aus Fragen nach
- Schwangerschaft und Kinderwunsch,
- der sexuellen Orientierung,
- Krankheiten, die nicht – insbesondere aufgrund gesetzlicher Vorschriften – die Ausübung der Tätigkeit unmöglich machen und
- politische und religiöse Einstellungen und Zugehörigkeiten (Ausnahme: Tendenzbetriebe – also Organisationen mit religiösem oder weltanschaulichem Hintergrund). Diese dürfen von BewerberInnen fordern, dass diese sich während der Arbeitszeit dem Ethos der Organisation entsprechend verhalten. Nur für SpitzenvertreterInnen, Beschäftigte, bei denen die Zugehörigkeit zurecht erwartet wird (Pfarrer) oder Personen, die das Bild der Organisation nach Außen prägen, darf eine Mitgliedschaft zur Kirche, der Gewerkschaft, dem Verein,… vorgeschrieben werden.
Natürlich müssen auch Fragebögen für BewerberInnen diskriminierungsfrei gestaltet werden.
Gesundheitstests, die nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, werden nur in Ausnahmefällen zulässig sein.
Aber: Für Fördermaßnahmen oder freiwillige betriebliche Sozialleistungen sind manchmal Informationen nötig, die mit geschützten Merkmalen zu tun haben.
Dokumentation
Klagen wegen vermuteter Diskriminierung bei der Personalaufnahme sind drei Jahre lang möglich. Gelingt es einem oder einer BewerberIn, eine Diskriminierung glaubhaft zu machen, muss das Unternehmen nachweisen, dass die Entscheidung aus sachlichen, also nicht diskriminierenden Gründen, erfolgt ist.
Wer bei glaubhaft gemachter Diskriminierung nicht nachweisen kann, dass die getroffene Entscheidung für einen andereN BewerberIn sachlich gerechtfertigt ist, wird höchstwahrscheinlich wegen Diskriminierung verurteilt.
Je besser der gesamte Prozess der Personaleinstellung dokumentiert ist, umso leichter wird es gelingen, ungerechtfertigte Ansprüche abzuwehren. Jedenfalls sollte – mit Unterlagen belegbar – nachgewiesen werden können, welche fachlichen Gründe für die Person, die letztendlich eingestellt wurde, gesprochen haben.
Die Gründe für die Entscheidung und die entsprechenden Unterlagen sollten daher jedenfalls drei Jahre aufgehoben werden.
Die Rechtsfolgen einer Diskriminierung
Diskriminierende Stellenausschreibungen werden derzeit mit einer Verwaltungsstrafe von bis zu 360 Euro bestraft. Unternehmen werden beim ersten Verstoß abgemahnt, erst beim zweiten Verstoß wird Strafe verhängt. ArbeitsvermittlerInnen werden schon beim ersten Verstoß bestraft.
BewerberInnen, die bei der Bewerbung diskriminiert wurden, haben einen Anspruch auf Schadenersatz in der Höhe von mindestens zwei Monatsentgelten. Hätte der/die BewerberIn auch bei diskriminierungsfreiem Auswahlverfahren die Stelle nicht erhalten, da ein andereR BewerberIn besser qualifiziert war, beträgt der Schadenersatz maximal 500 Euro.
Fördermaßnahmen
Gerade bei der Personaleinstellung sind Fördermaßnahmen für benachteiligte Gruppen erprobt und sinnvoll. Dabei lässt sich zwischen harten und weichen Maßnahmen unterscheiden. Harte Maßnahmen sehen eine Bevorzugung bestimmter Personen vor und sind rechtlich heikler. Dazu gehören etwa die nur im öffentlichen Dienst üblichen Quoten, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur unter Einhaltung strenger Bedingungen möglich sind.
Weiche Maßnahmen sind dagegen rechtlich unbedenklich. Dazu gehören etwa
- der ausdrückliche Hinweis auf eine innerbetriebliche Gleichstellungspolitik,
- die Übersetzung von Jobinseraten in mehrere Sprachen,
- der Hinweis, dass insbesondere bestimmte Gruppen zur Bewerbung eingeladen sind oder
- die Veröffentlichung von Stelleninseraten in Minderheitenmedien.
Entgelt
Entgeltdiskriminierung ist aufgrund aller sieben Diskriminierungsgründe verboten.
Unterschiedliches Entgelt ist – zumindest beim Vergleich von Männern und Frauen – die öffentlich am meisten wahrgenommene Diskriminierung. Während anfangs gleicher Lohn für gleiche Arbeit gefordert wurde, wird seit einigen Jahren verstärkt gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit diskutiert.
Die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen ist vielfach belegt. Es gibt aber keine verlässlichen Daten, ob es Gehaltsunterschiede auch aufgrund der anderen geschützten Merkmale gibt. Aufgrund der Beratungspraxis ist allerdings zu vermuten, dass zumindest aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit oder einer Behinderung regelmäßig Ungleichbehandlungen stattfinden.
In den vergangenen dreißig Jahren wurden auf der gesetzlichen, der kollektivvertraglichen und der betrieblichen Ebene viele Versuche zur Beseitigung dieser Unterschiede unternommen. Im Rahmen dieses Leitfadens sind vor allem die betrieblichen Möglichkeiten interessant.
Die Abgrenzung gleicher und gleichwertiger Arbeit
Leider sind beide Begriffe gesetzlich nicht definiert.
Gleiche Arbeit liegt dann vor, wenn die betrachteten Tätigkeiten ident oder nahezu ident sind.
Von gleichwertiger Arbeit wird dann gesprochen, wenn die Tätigkeiten äußerlich ungleich sind, aber bei der Gesamtbetrachtung der Anforderungen wie nötige Qualifikationen, körperliche und psychische Belastung, Verantwortung und Umgebungsbedingungen ähnlich sind. 19
Die Feststellung ungleicher Bezahlung bei gleicher Arbeit ist relativ einfach – wenn die Löhne offen gelegt werden. Die Beurteilung, welche Arbeiten als gleichwertig anzusehen sind, beinhaltet aber viele Wertungen und ist daher sehr umstritten.
Betriebliche Maßnahmen
Unternehmen, die Maßnahmen gegen Entgeltdiskriminierung unternehmen wollen, wird meist empfohlen,
- die im Unternehmen bestehenden Tätigkeiten aufzulisten,
- männer- und frauendominierte Bereiche zu identifizieren,
- anhand dieser Bereiche die Gleichwertigkeit (anhand bestehender geschlechtsneutraler Systeme der Arbeitsbewertung) zu prüfen,
- diese Bewertung bei allen Entgeltbestandteilen anzuwenden und schließlich
- die bestehenden Entgeltsysteme zu überarbeiten.20
So ein Projekt ist so aufwendig, wie es klingt. Außerdem wird es wohl breite Debatten über Gleichheit und Gerechtigkeit auslösen. Deshalb ist auch hier die Einbeziehung des Betriebsrats wichtig. Dieser hat schon nach geltendem Recht weitgehende Rechte zur Einsicht in die Personaldaten. Derzeit (September 2010) liegt eine Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz vor, die weitere Maßnahmen zur Gehaltstransparenz vorsieht.
Fazit
Gehaltsgerechtigkeit ist das umstrittenste und schwierigste Thema im Bereich der Gleichstellung. Dabei ist bisher lediglich die Spitze des Eisbergs – die Gleichstellung von Männern und Frauen – thematisiert worden.
Beruflicher Aufstieg und Beförderung
In den innerstaatlichen Umsetzungsbestimmungen fehlt es an einer Definition für die Begriffe „beruflicher Aufstieg“ und „Beförderung“. Die Begriffsinhalte müssen daher durch Auslegung ermittelt werden. Als Anhaltspunkte dienen dabei die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen und die Begriffsbestimmungen des österreichischen Arbeitsrechts sowie die bislang auf nationaler und europarechtlicher Ebene ergangenen Entscheidungen. Danach ist der Begriff „beruflicher Aufstieg“ weit auszulegen und umfasst nicht nur die verbindliche Entscheidung über den beruflichen Aufstieg (z.B. Abschluss einer Förderungsvereinbarung), sondern bereits auch die vorbereitenden Verhaltensweisen (z.B. Festlegung der Auswahlkriterien). Der Europäische Gerichtshof stellte bei seiner Auslegung der Richtlinie 76/207/EWG auf den Aufstieg in eine höhere berufliche Kategorie, auf den Zugang zu einer höheren Stufe bei der beruflichen Rangordnung ab.21 In der Literatur werden im Rahmen eines weiten Begriffsverständnisses alle Varianten des beruflichen Fortkommens und alle Maßnahmen verstanden, die sich auf Aufstieg und Beförderung auswirken können, sofern nur der gebotene Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis vorliegt. Die Beförderung wird dabei als eine Unterkategorie des beruflichen Aufstiegs angesehen und ist gleichzeitig auch der wichtigste Anwendungsfall in der Praxis.
Beim Aufstieg auf der Karriereleiter stoßen insbesondere Frauen immer wieder an die sog. gläserne Decke, weil sie auf allen Ebenen der Berufshierarchie benachteiligt werden. Jungen Frauen wird der Karriereweg oftmals verbaut, weil befürchtet wird, dass sie die Kinderbetreuung in einem großen Maß beanspruchen werden. Später, wenn sie frei von Kinderbetreuungspflichten sind, gelten sie als „zu alt.“ Immer wieder kommt es vor, dass bei der Besetzung einer leitenden Funktion Frauen mit höherer Qualifikation und längerer Berufserfahrung beim beruflichen Aufstieg unberücksichtigt bleiben und ihnen jüngere, weniger qualifizierte Männer vorgezogen werden. Das stellt einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Aber auch die nachträgliche Änderung des Anforderungsprofils ist verboten. Wird z.B. ein Mann bei der Besetzung einer Führungsposition seiner Mitbewerberin vorgezogen, obwohl diese das Stellenprofil in allen Punkten erfüllt, weil er über ein abgeschlossenes Studium verfügt und daher als besser qualifiziert eingestuft wird, so stellt dieses Vorgehen eine Diskriminierung dar, wenn ein Studium in der Ausschreibung gar nicht gefordert war.
Auch Diskriminierungen aufgrund des Alters sind in der Praxis beim beruflichen Aufstieg sehr häufig. Oft werden leitende Funktionen mit jüngeren ArbeitnehmerInnen besetzt und die älteren, qualifizierten Personen bleiben bei der Vergabe unberücksichtigt.
Das Gesetz kennt jedoch für berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruhenden öffentlichen oder privaten Organisationen Ausnahmen. Das Kriterium der Religion oder Weltanschauung stellt dann keine Diskriminierung dar, wenn sie für die Art der Tätigkeit oder der Umstand ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Solche Tendenzbetriebe können verlangen, dass sich ArbeitnehmerInnen während der Arbeitszeit gemäß dem Ethos der Organisation verhalten. Sucht sich eine anerkannte Religionsgemeinschaft LehrerInnen für den Religionsunterricht in der Schule nach der jeweiligen Religionszugehörigkeit aus, so ist das eine gerechtfertigte Anforderung und stellt keine Diskriminierung dar.
Für die Geltendmachung gerichtlicher Ansprüche wegen einer Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg ist eine Frist von sechs Monaten zu beachten. Die Frist beginnt mit der Ablehnung der Beförderung zu laufen. Die von Diskriminierung betroffene Person hat Anspruch auf den Ersatz des entstandenen finanziellen Schadens (z.B. Auszahlung der Gehaltsdifferenz) und den Ausgleich der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung. Kann der oder die ArbeitgeberIn nachweisen, dass die betroffene Person auch bei Berücksichtigung nicht befördert worden wäre und dadurch kein weiterer finanzieller Schaden entstanden ist, so beträgt die Höhe des Schadenersatzes maximal 500 Euro.
Belästigung
Belästigungen sind Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit einem geschützten Merkmal stehen und für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig sind und ein einschüchterndes oder demütigendes Umfeld schaffen. Eine Belästigung, die Würdeverletzung bewirkt oder bezweckt ist sowohl in der Arbeitswelt auch in sonstigen weiteren geschützten Lebensbereichen verboten. Belästigungen sind in vielfältiger Form denkbar. Sprachliche Äußerungen, wie Witze und Bezeichnungen, Gesten oder das Verbreiten von schriftlichen Äußerungen, Bildern oder sonstigem Material sind da einige Beispiel. Um den Belästigungstatbestand zu erfüllen müssen die Handlungen schwerwiegend sein. Im Arbeitsumfeld können hier Pin-up-Fotos, E-Mails, SMS oder auch Videoüberwachung eine solche Belästigung darstellen. Beschimpft ein Türsteher einen Mann mit schwarzer Hautfarbe, der in eine Bar eingelassen werden möchte, so ist das eine Belästigung in sonstigen Bereichen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit. Für die Beurteilung, ob ein Verhalten von der betroffenen Person als unerwünscht, unangebracht oder anstößig empfunden wird, ist auf das subjektive Empfinden des Opfers abzustellen.
Eine sexuelle Belästigung liegt vor, wenn das unerwünschte Verhalten der sexuellen Sphäre zugerechnet werden kann. Sexuelle Übergriffe sind oft Sanktionierungsmaßnahmen, um Frauen an „ihren Platz“ zu verweisen und die männlich dominierte Hierarchie zu erhalten.22 Werden körperliche Akte gesetzt, so liegt auch eine Straftat vor, die bei der Polizei angezeigt werden sollte. Aber auch bereits das Aufhängen von Pin-up-Fotos trotz der Aufforderung durch eine Kollegin, diese Bilder zu entfernen, stellt eine sexuelle Belästigung dar. Fordert ein Immobilienmakler von einer Kundin für den Abschluss eines Mietvertrages sexuelle Gefälligkeiten, so erfüllt das für den Bereich außerhalb der Arbeitswelt die Merkmale für die sexuelle Belästigung, wenn die Kundin das ablehnt und der Mietvertrag aus diesem Grund nicht zustande kommt. Als Rechtfertigung wird in einigen Fällen angeführt, dass die Frau sehr figurbetonte Kleidung trug und das Verhalten sozusagen „provoziert“ hat. Eine sexuelle Belästigung ist jedoch auch mit dieser Argumentation nicht zu rechtfertigen.
Davon zu unterscheiden ist die geschlechtsbezogene Belästigung. Diese umfasst Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit dem Geschlecht der Person stehen, jedoch ohne einen Bezug zur Sexualität. Macht ein Arbeitgeber immer wieder frauenfeindliche Witze, so ist das vom Tatbestand erfasst. Wie die sexuelle Belästigung liegt eine geschlechtsbezogene Belästigung auch vor, wenn die Zurückweisung oder Duldung der Belästigung zur Grundlage einer der belästigten Person berührenden Entscheidung gemacht wird.
Bei der (sexuellen) Belästigung in der Arbeitswelt beträgt die Frist für die gerichtliche Geltendmachung ein Jahr. Bei einer (sexuellen) Belästigung beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen verfristet der Anspruch erst in drei Jahren. Die Frist beginnt ab dem Vorfall zu laufen. Die (sexuell) belästigte Person hat Anspruch auf Schadenersatz gegenüber dem oder der ArbeitgeberIn bzw. DienstleistungsanbieterIn oder jenen Personen, die es schuldhaft unterlassen haben, Abhilfe zu schaffen und gegenüber der belästigenden Person. Der Schadenersatzanspruch umfasst den Ersatz des entstandenen finanziellen Schadens und einen Ausgleich für die erlittene persönliche Beeinträchtigung mit einem Betrag in der Höhe von mindestens 720 Euro.
Sonstige Arbeitsbedingungen, Aus- und Weiterbildung, Umschulung
Unter den Begriff der sonstigen Arbeitsbedingungen fallen alle Bereiche in der Arbeitswelt, die jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis stehen. Diskriminierungen bei Diensteinteilungen, Versetzungen, Weisungen und auch bei Pausenregelungen fallen darunter. In der Praxis wird häufig verlangt, dass Frauen im Gegensatz zu den männlichen Kollegen neben der arbeitsvertraglich festgelegten Tätigkeit auch „traditionelle Frauenarbeiten“ oder Hilfstätigkeiten, wie Ausleeren der Papierkörbe, Botendienste oder Kaffee kochen übernehmen. Das stellt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei sonstigen Arbeitsbedingungen dar. Aber auch die Nichteinbindung in die interne Kommunikation und das Abschneiden von Informationen (Benachrichtigungen von Besprechungen erfolgen erst in letzte Minute oder gar nicht) sind diskriminierend, wenn sie in Verbindung mit einem geschützten Merkmal stehen.
Mit Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung sowie Umschulung sind solche gemeint, die auf in einem aufrechten Arbeitsverhältnis befindliche ArbeitnehmerInnen abzielen. Aber auch Arbeitssuchende, die Kurse beim AMS belegen oder Personen, die sich außerhalb des Arbeitsverhältnisses in einer Erwachsenenbildungseinrichtung weiterbilden, sind vom Anwendungsbereich umfasst. Teilzeitarbeit wird in vielen Unternehmen mehrheitlich immer noch von Frauen verrichtet. Bietet ein solches Unternehmen eine Weiterbildung nur für Vollzeitbeschäftigte an, so liegt darin eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.
Die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen bei Diskriminierungen bei sonstigen Arbeitsbedingungen beträgt drei Jahre. Es besteht ein Anspruch auf die Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen. Alternativ kann der Ersatz des finanziellen Schadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung gefordert werden. Auch bei Diskriminierungen im Zusammenhang mit Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und Umschulung beträgt die Frist drei Jahre innerhalb der die Ansprüche geltend gemacht werden müssen. Die benachteiligte Person hat ein Wahlrecht. Entweder macht sie ihren Anspruch auf Einbeziehung in die entsprechende betriebliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahme geltend, oder fordert den Ersatz des finanziellen Schadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.
Beendigung
Der Begriff der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist weder auf eine bestimmte Art von Arbeitsverhältnis beschränkt noch auf eine bestimmte Beendigungsart. Daher fallen auch Probearbeitsverhältnisse und befristete Arbeitsverhältnisse in den Anwendungsbereich.
Dabei behält aber der Grundsatz, dass ein Probedienstverhältnis ohne Begründung innerhalb der Probezeit rechtskonform beendet werden kann, seine volle Gültigkeit. Gibt aber eine Frau innerhalb ihrer Probezeit ihre Diabeteserkrankung dem Unternehmen bekannt und wird daraufhin das Probedienstverhältnis zeitnah und ohne jede weitere Begründung seitens des Unternehmens beendet, obwohl bereits Weiterbildungsmaßnahmen für die Zeit nach der Probezeit vereinbart wurden, so liegt es nahe, dass die Beendigung diskriminierend und nicht rechtskonform war, weil sie aufgrund der Behinderung erfolgte.
Die Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses, das auf Umwandlung in ein unbefristetes angelegt war, ist eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Zusammenhang mit der Beendigung, wenn der Grund dafür beispielsweise die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin ist.
Eine weitere Gruppe bilden die Fälle, in denen sich der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses nach den unterschiedlichen Rentenantrittsaltern für Frauen und Männer richtet. Der EuGH entschied bereits im Jahr 1986, dass eine allgemeine Entlassungspolitik, wonach eine Frau nur aus dem Grund „entlassen“ wird, weil sie das Alter erreicht oder überschritten hat, in dem sie Anspruch auf eine staatliche Rente erwirbt und das nach den nationalen Vorschriften für Männer und Frauen unterschiedlich ist, eine verbotene Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt.23 Regelungen über eine automatische Ruhestandsversetzung bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters unterliegen ebenfalls dem Diskriminierungsverbot, so der EuGH im Jahr 2007.24
Bei der Beendigungsdiskriminierung kann innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Erhalt der Kündigung bzw. Entlassung oder die Beendigung des Probearbeitsverhältnisses oder die Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses beim Arbeits- und Sozialgericht angefochten und die Feststellung des Bestehen eines aufrechten (unbefristeten) Arbeitsverhältnisses begehrt werden. Alternativ kann die Beendigung des Arbeitsverhältnisses akzeptiert werden und auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung geklagt werden. Hierfür beträgt die Frist 6 Monate. Gerade im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis ist die Wahlmöglichkeit sinnvoll. So bleibt es der Einschätzung der diskriminierten Person überlassen, ob sie sich ein Verbleiben im Unternehmen unter diesen Umständen vorstellen kann oder stattdessen in einem anderen Unternehmen tätig sein möchte und den Schadenersatz begehrt.
Positive Maßnahmen
Die derzeit geltenden gesetzlichen Vorschriften sind nicht ausreichend, um Chancengleichheit und Gleichstellung tatsächlich herzustellen. Dazu bedarf es weiterer Instrumente. Das Gleichbehandlungsrecht normiert daher eine Ausnahme vom Diskriminierungsverbot für spezifische Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung, die in Form von Gesetzen, in Kollektivverträgen oder in betriebsinternen allgemeinen Regelungen festgelegt werden, um Benachteiligungen aus einem der gesetzlich geschützten Diskriminierungsgründe zu verhindern oder auszugleichen. Eine rechtliche Verpflichtung zu positiven Maßnahmen gibt es allerdings nicht, das Gesetz eröffnet lediglich die Möglichkeit dazu.25
Diese positiven Maßnahmen durchbrechen zwar augenscheinlich den Gleichbehandlungsgrundsatz, gelten aber nicht als Diskriminierungen, wenn mit der Maßnahme die Gleichstellung gefördert und eine tatsächlich bestehende Ungleichheit beseitigt oder verringert wird.26 Auch positive Maßnahmen unterliegen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels angemessen und erforderlich ist.
Als Beispiel nennen die Gesetzesmaterialien die „Bevorzugung“ von Frauen durch sog. Quotenregelungen bei Stellenausschreibungen in jenen Bereichen, in denen bisher überwiegend Männer beschäftigt sind.27 Brisant ist in diesem Zusammenhang die Besetzung von Führungspositionen. Ein automatischer Vorrang für Frauen ist nicht zulässig. Quotenregelungen sind nur dann zulässig, wenn die dort vorgesehene Begünstigung nicht absolut und unabdingbar ist und auch nicht automatisch erfolgt, sondern die besondere Berücksichtigung von in der Person des Mitbewerbers liegenden Gründen im Einzelfall offen lassen (sog. Öffnungsklausel).28 Eine derartige Quotenregelung mit Öffnungsklausel hat der EuGH als EU-konform bestätigt, wenn sie bei gleicher Qualifikation und objektiver Beurteilung einer Bewerberin den Vorzug einträumt, jedoch männlichen Bewerbern garantiert, dass die Bewerbungen Gegenstand einer objektiven Beurteilung sind, bei der alle die Personen der Bewerber betreffenden Kriterien berücksichtigt werden, und dass der den weiblichen Bewerberinnen eingeräumte Vorrang entfällt, wenn eines oder mehrere dieser Kriterien zu Gunsten des männlichen Bewerbers überwiegen.29 In der Praxis bereitet vor allem die Beurteilung der „gleichen Eignung“ der BewerberInnen erhebliche Schwierigkeiten, weil die individuellen Biographien und Qualifikationen die objektive Vergleichbarkeit und eine Gewichtung der einzelnen Qualifikationen erschweren. Der tatsächliche Anwendungsbereich geht jedoch über Quotenregelungen hinaus. Der Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern dienen insbesondere auch alle Arten ausbildungs- und Karriere fördernder Maßnahmen, wie Schulungen, Bildungsurlaube, Wiedereinstiegshilfen, wie auch die Befreiung von Altersgrenzen für den Wiedereinstieg.30 Auch Mentoringprogramme, in denen ausgewählte MentorInnen geschult werden, um Personen aus der gewählten Zielgruppe in einem gewissen zeitlichen Rahmen oder bei der Bewältigung konkreter Aufgaben beratend zur Seite zu stehen zählen zu den positiven Maßnahmen. Zudem kann eine gezielte Aufforderung an unterrepräsentierte Gruppen (z.B. MigrantInnen) sich zu bewerben langfristig die Beschäftigungsstruktur verändern und zu einem chancengleichen Zugang führen.
Volker Frey, Jurist und Politologe, Generalsekretär des Klagsverbands und Diversity Trainer.
Andrea Ludwig, Juristin und Expertin für Anti-Diskriminierung, Leiterin der Rechtsdurchsetzung beim Klagsverband.
Der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern ist ein Dachverband von derzeit 21 Mitgliedsvereinen, der sich mit der Verbesserung und Durchsetzung des Anti-Diskriminierungsrechts in Österreich beschäftigt.