Projektstart: Studie zu Audits und Zertifizierungen in Liefer-/Wertschöpfungsketten
Das Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte und das Institut für Nachhaltigkeit, Unternehmensrecht und Reporting der Universität zu Köln forschen gemeinsam zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten.
Der Entwurf einer Richtlinie der Europäischen Union (EU) über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD), in der öffentlichen Berichterstattung missverständlich als „Lieferkettengesetz“ bezeichnet, wird sowohl menschenrechtliche als auch umweltbezogene Sorgfaltspflichten für Unternehmen in ihren gesamten Wertschöpfungsketten begründen. Der Entwurf setzt dabei auf eine branchenübergreifende unternehmerische Sorgfaltspflicht und betont die Verantwortung der betroffenen Unternehmen, in ihrem ökonomischen Handeln auch die Umwelt und die Menschenrechte zu achten und folglich Ökonomie, Ökologie und Soziales im Sinne des nachhaltigkeitsbezogenen Dreiklangs zusammenzudenken.
Ziel des Forschungsprojekts, das von der Kammer für Arbeiter und Angestellte (AK) Wien als Fördergeberin finanziell unterstützt wird, ist die inhaltliche Erarbeitung einer unabhängigen Studie zu menschenrechtlichen und umweltbezogenen Aspekten von Audit- und Zertifizierungssystemen im Kontext unternehmerischer Sorgfaltspflichten. Das Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte (LBI-GMR) konnte das Institut für Nachhaltigkeit, Unternehmensrecht und Reporting (INUR) der Universität zu Köln für eine gemeinsame Umsetzung des Forschungsprojekts gewinnen. Das INUR wird seine starke zivilrechtliche, insbesondere gesellschaftsrechtliche, Expertise einbringen.
Im Rahmen der Forschungsarbeit möchten die Wissenschaftler:innen in Erfahrung bringen, wie Audits und Zertifizierungen die von der Richtlinie betroffenen Unternehmen dabei unterstützen können, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf die Umwelt und/oder die Menschenrechte zu ermitteln, zu beseitigen, zu vermeiden oder zu mindern. Dies betrifft auch die Tätigkeiten ihrer Tochterunternehmen und sonstiger an ihren Wertschöpfungsketten Beteiligter. Unter Audits sind dabei Prüfberichte zu verstehen, die aus einer systematischen, unabhängigen und dokumentierten Prüfung von Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen resultieren. Zertifizierungen sind wiederum Nachweise über die Konformität eines Prüfgegenstands mit vorher festgelegten Kriterien.
Ungeklärt ist bisher, ob bereits in einzelnen Branchen existierende Audit- und Zertifizierungssysteme überhaupt dazu in der Lage sind, die Einhaltung von umwelt- und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten zu überprüfen, oder für solch eine Aufgabe gegebenenfalls neu konfiguriert werden müssten. Um diese Frage beantworten zu können, werden zunächst die Anforderungen an die Unternehmen analysiert:
- Was heißt es, wenn Unternehmen eine (risikobasierte) Sorgfaltspflicht hinsichtlich Menschenrechts- und Umweltanforderungen erfüllen müssen?
- Wie weit reicht ihre Verantwortung?
- Können die von der geplanten Richtlinie betroffenen Unternehmen juristisch belangt werden, wenn es zu Umweltschäden und/oder negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte in ihrer Wertschöpfungskette kommt?
- Was ist überhaupt unter einer „Wertschöpfungskette“ zu verstehen?
Nach der Auseinandersetzung mit diesen und anderen relevanten (Vor-)Fragen wird geklärt werden, welche Rolle Audits und Zertifizierungen im Rahmen der unternehmerischen Sorgfaltspflicht einnehmen und ob sie unterstützend eingesetzt werden können.